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10 Fragen an Daddy Joachim Diercks

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Bei den meisten Vätern ergibt sich durch die Geburt des ersten Kinder ein Spagat zwischen Familie und Beruf. Der Wunsch, so viel Zeit wie möglich mit den Kindern zu verbringen, beugt sich oft dem Druck, genug Geld für die Familie zu verdienen und seinen Job zu erfüllen. Unser heutiger Daddy beschäftigt sich beruflich mit genau diesen Fragen der Work-Life-Balance und hat für sich selbst ein Modell gefunden, welches er hier beschreibt.

Hier sind 10 Antworten von JOACHIM DIERCKS:

1. Wer bist Du und was machst du?
Ich heiße Joachim Diercks, bin Geschäftsführer der CYQUEST GmbH, die ich vor mehr als 15 Jahren mitgegründet habe, verheiratet mit der Rechtsanwältin Nina Diercks und Papa von zwei Mädchen, eine knapp sieben, die andere jetzt zwei Jahre alt.
CYQUEST entwickelt Internetapplikationen, die zu Zwecken der Personalauswahl, des Personalmarketings und der Berufs- bzw. Studienorientierung eingesetzt werden. Mit rund zwanzig Leuten – Psychologen, Programmierern, Gestaltern und BWLern wie mir – betreuen wir einige Dutzend namhafte Unternehmen, Hochschulen und Einrichtungen.

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© Patrick Temme

Ich habe zudem vor mehr als acht Jahren angefangen zu bloggen und betreibe mit dem Recrutainment Blog heute einen der meistgelesenen deutschsprachigen HR-Blogs. Darin befasse ich mich mit allen Fragen rund ums Recruiting, weil das ja auch unsere Themen bei CYQUEST sind. Das bloggen hat aber auch dazu geführt, dass der Blick über den eigenen Tellerrand hinausgeht und ich mich auch viel mit Themen wie Work-Life-Balance oder Wertewandel im Arbeitsleben – ich sag nur „Generation Y“ – beschäftige. Vielleicht ist das auch eine Art Herzensangelegenheit, weil wir, also meine Frau und ich, uns ja für ein Lebensmodell entschieden haben, in dem beide Vollzeit arbeiten und berufliche Ambitionen haben, aber gleichzeitig auch Kinder, Familie und Freundschaften wichtig sind.

Als wir uns entschieden, ein zweites Kind zu bekommen, haben wir festgestellt, dass es in unserem Umfeld so gut wie keine Beispiele gab, an denen wir uns mal orientieren konnten. Die Frage, ob das überhaupt beides geht – Familienleben und engen Kontakt zu den Kindern und gleichzeitig die Ausübung eines Berufs, der mehr ist als nur Broterwerb – war für uns vorab nicht zu beantworten. Heute weiß ich, dass es zwar unheimlich anstrengend ist, aber – zumindest in unserem Fall – funktioniert.

Die Entscheidung für Kinder war die beste Entscheidung, die wir je getroffen haben und zwar auch weil es für uns eben nicht bedeutet, dass einer von uns beiden dafür auf seine berufliche Verwirklichung verzichten muss. Klar: Kompromisse ja, aber eben kein grundsätzlicher Verzicht… Heute stelle ich häufig fest, dass andere uns als Rollenmodell betrachten und sagen „Guck mal, die bekommen es auch hin“. Das freut mich.

2. Du beschäftigst Dich beruflich viel mit Online-Assessment und Personalmarketing. Kannst Du den Begriff „Work-Life-Balance“ überhaupt noch hören und was bedeutet er für Dich?
Wir haben in Deutschland leider die Angewohnheit irgendwelche Themen immer so lange zu hypen bis sie keiner mehr hören kann und sie dann „verbrannt“ sind.

Ich finde, dass Work-Life-Balance bzw. das was sich dahinter verbirgt nichts an Aktualität verloren hat. Im Gegenteil: Aus meiner Sicht ist es eine der ganz großen gesellschaftlichen Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen. Wie bekommen wir es insgesamt besser hin, dass „beides“ geht – ein intaktes Privatleben mit der Familie und Freunden genauso wie ein erfülltes Berufsleben.

Für mich gehört nämlich beides zu mir, beides ist mir wichtig und beides macht mich aus. Kritiker bemängeln an dem Begriff häufig, dass er suggerieren würde, dass Arbeiten und Leben zwei unterschiedliche Dinge sind, die dann irgendwie in ein Gleichgewicht zu bringen seien. Arbeit und Leben sind natürlich nicht zwei separate Dinge, sondern die Arbeit gehört zum Leben dazu. Ich finde aber, dass die Debatte um den „Begriff“ auch ein bisschen Wortklauberei ist, die von der eigentlichen Thematik ablenkt. Es geht nicht darum, möglichst früh aus dem Büro zu kommen, damit dann das „eigentliche Leben“ stattfinden kann.

Auch geht es aus meiner Sicht nicht darum, dass man am Abend oder am Wochenende keine E-Mails lesen darf oder das Smartphone ausschalten muss. Für mich geht es darum, dass die Arbeitswelt insgesamt mehr Toleranz aufbringt, dafür dass das Leben mit Kindern zuweilen „Ungeplantes“ bereithält, z.B. wenn einen die Kita anruft, weil das Kind krank geworden ist und abgeholt werden muss. Würde hier mehr Verständnis und Flexibilität herrschen, wären wir einen großen Schritt weiter.

3. Denkst Du, dass die Politik derzeit Familien noch zu wenig unterstützt und sich viele Paare daher gegen Kinder entscheiden?
Nein, ich glaube eigentlich nicht, dass es an Unterstützung durch die Politik mangelt. Klar wenn man sieht, dass in manchen Bundesländern die Kitas mittags zumachen, im Sommer monatelang zu haben oder die verfügbaren Betreuungsplätze zu knapp sind, dann ist es an der Politik, hier gegenzusteuern. Aber ich finde hier wurde oder wird in den letzten Jahren vieles aufgeholt, was tatsächlich zu lange liegengeblieben war, zum Beispiel was die Kinderbetreuungsangebote oder Themen wie Elternzeit etc. angeht.

Das eigentliche Problem und die Ursache dafür, dass sich viele, die eigentlich Kinder haben möchten, doch dagegen entscheiden oder diese Entscheidung auf den St. Nimmerleinstag verschieben (oft bis es zu spät ist), sehe ich erstens darin, dass viele Unternehmen jungen Menschen schlichtweg oftmals keine hinreichende Planungssicherheit geben, auf deren Basis man sich das „Wagnis Kinder“ zutraut (befristete Verträge etc.) und zweitens wie gesagt zu wenig Verständnis dafür, dass Kinder eben häufig und unvorhersehbar und spontan Flexibilität von den Eltern und diese dann wiederum von ihren Arbeitgebern verlangen.

Wenn ich jedes Mal befürchten muss, dass der Chef mit den Augen rollt, wenn ich los muss, weil die Kita nun mal irgendwann zu macht, dann überlege ich mir das mit Kindern sicher dreimal. Und leider denken viele heutzutage, dass mit Kindern „das Leben aufhört“. Klar, vieles geht dann erst mal nicht mehr oder nicht mehr so einfach, aber man kann gar nicht in Worte fassen, was man dafür gewinnt…

4. Als Gründer arbeitet man selbst und ständig. Das gilt in Eurem Fall sogar für Dich und Deine Frau. Wie gestaltet Ihr Euren Feierabend so, dass es nicht zu dienstlich zugeht?
Unsere Lebenssituation, in der wir beide unsere Unternehmen führen und das mit der Organisation des Familienalltags koordinieren müssen, führt dazu, dass wir so gut wie keine zwei Tage haben, die gleich ablaufen. Jeden Tag wird das Verschiebepuzzle neu sortiert.

Das führt häufig dazu, dass man sich dann am Abend, wenn die Mädchen im Bett sind, nochmal hinsetzt und arbeitet. Gleichzeitig haben wir aber eben auch die Freiheit zu sagen „Hey, wir gehen beide zu der Theateraufführung unserer Tochter in der Schule um 15.00 Uhr“, ohne dass dies erst mit Vorgesetzten abgeklärt werden muss.

Wir schaffen es aber in aller Regel, in der Woche morgens mit der ganzen Familie gemeinsam zu frühstücken und abends zusammen Abend zu essen, was trotz „selbst und ständig“ wahrscheinlich mehr ist, als viele Familien von sich sagen können. Nachdem wir die Mädels ins Bett gebracht haben, sitzen Nina und ich oft noch bei einem Glas Wein zusammen und tauschen uns aus. Ich muss allerdings zugeben, dass das auch zuweilen „dienstlich“ ist, weil wir eben doch eine ganze Menge thematische Berührungspunkte und inhaltliche Überschneidungen in unserer Arbeit haben.

Wir haben auch schon mehrfach die Situation gehabt, dass wir gemeinsam zu Kongressen gefahren sind, etwa weil wir dort beide als Referenten eingeladen waren. Mir gefällt das eigentlich ganz gut, weil man so doch sehr viel Anteil am beruflichen Leben des Partners nimmt und nicht mit der Antwort auf die Frage „Und bei dir so…?“ eigentlich gar nichts anfangen kann…

5. Glaubst Du, dass Ihr aufgrund Eurer beruflichen Situation mehr Flexibilität in der Organisation des Alltags habt? Oder haben es Angestellte einfacher?
Grass is always greener… ;-) Ich wünsche mir manchmal schon, einfach sagen zu können „Oh das Kind ist krank, dann hole ich mir eine entsprechende Krankschreibung und bleibe zuhause… Zack, nicht mehr mein Problem…“. Wenn man aber mal ehrlich ist, können die meisten Angestellten das eben auch nicht so ohne weiteres. Zumindest nicht, wenn ihnen auch an beruflichem Fortkommen gelegen ist.

Von daher ja, ich glaube dass ein solches Lebensmodell wie wir es uns ausgesucht haben, also beide Vollzeit und ambitioniert berufstätig bei gleichzeitigem Anspruch auf ein vollwertiges Familienleben, eigentlich nur funktioniert, weil wir beide selbständig sind. Es ist schon so herausfordernd genug. Wenn ich mir jedes Mal auch noch überlegen müsste, ob dieses oder jenes jetzt in den Augen meines Chefs ein „careerlimiting move“ war, würde ich das auf Dauer glaube ich kaum durchhalten…

6. Bleibt bei der Arbeit und der ganzen Familienorganisation noch Zeit für Romantik?
Na klar, die muss halt organisiert werden… ;-) Nein im Ernst, ich bin mir sicher, dass die größte Herausforderung für berufstätige Eltern ist, nicht nur zu „funktionieren“ und das zu Erledigende zu erledigen, sondern sich auch immer noch als „Paar“ zu sehen und Freiräume dafür zu schaffen. Wir haben uns zum Beispiel von Anfang an einen Babysitter-Abend in der Woche gegönnt, wo wir dann entweder zu zweit zum Sport oder gemütlich essen gehen. Auch haben wir vereinzelt mal Ausflüge nur zu Zweit unternommen, z.B. ein paar Tage Barcelona oder ein Wochenende in unserem Hochzeitshotel.

Die Kinder sind dann bei Oma und Opa. Das schafft man natürlich nicht so oft, aber dass man Zweisamkeit nicht aus den Augen verliert, ist schon sehr wichtig. Wir wollen uns ja auch noch was zu sagen haben, wenn die Kinder irgendwann ihr eigenes Ding machen…

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7. Wie habt Ihr in diesem Jahr Euren Familienurlaub verbracht und waren die Handys dabei an oder aus?
Wir haben uns für Wanderurlaub in Kärnten entschieden. Das war auch wirklich schön, sieht man mal davon ab, dass das Wetter diesen Sommer in den Bergen nicht annähernd mit dem in Norddeutschland mithalten konnte. Auch hatten wir dieses Jahr das erste Mal die Problematik, in den Sommerferien verreisen zu müssen, weil unsere Große ja schon Schulkind war. Das hat dann die An- und Abreise über Deutschlands und Österreichs Autobahnen zu einem nicht so großen Spaß werden lassen. Aber Erholung trat dennoch ein.

Was das „Always on“ im Urlaub angeht, bin ich echt hin- und hergerissen. Mich persönlich stresst der Gedanke, dass ich von irgendwelchen akuten Bränden im Büro nichts mitbekomme oder auch, dass nach dem Urlaub ca. 1200 E-Mails auf mich warten, mehr als dass es mich entspannt, nicht zwischendurch mal reinzugucken. Ich bin dieses Jahr so verfahren, dass mein Telefon immer angeschaltet war (für den Fall, dass was Dringendes ist also erreichbar war), aber tagsüber keinen Datenempfang aktiviert hatte.

Ich habe dann meistens abends im Hotel einmal die E-Mails des Tages gesichtet und soweit absortiert, weitergeleitet oder vereinzelt auch beantwortet. Mir fällt es so leichter, nach dem Urlaub mental wieder zu reinzukommen und meistens hält auch die Erholung bei mir dann etwas länger an als wenn ich an Tag 1 gleich die dicke Keule bekomme… Aber ich glaube, den richtigen Weg, wie man damit umgeht, gibt es auch nicht.

8. Hast Du Rituale mit Deinen Kindern, die nur mit dem Papa funktionieren?
Oh, spannende Frage! Eigentlich haben meine Frau und ich so gut wie keine typischen „Gender-Rituale“, weil wir uns wirklich alles von Anfang an sehr gleich aufgeteilt haben – vom Breikochen und Windeln wechseln bis zum Schwimmbadbesuch.

Ich gehe so zwei-dreimal im Jahr mit meiner großen Tochter zum Fußball – das machen wir dann zu zweit und zelebrieren es auch ein bisschen. Sie findet das auch immer richtig cool, wobei sich das vor allem auf das „Event an sich“, das volle Stadion, die Stadion-Fanta, den oft anschließenden Dom-Besuch und vielleicht auf „den Ausflug nur mit Papa“ bezieht. Die 90 Minuten Fußball selber, die betrachtet sie glaube ich eher als „Beifang“… :-)

9. Du bist ja selbst ein Medien-Profi. Wann hat Deine ältere Tochter die ersten Versuche am Handy, Tablet oder PC unternommen und wie reguliert Ihr die Nutzung?
Die Große wird im November sieben und langsam fängt es an, dass sie vereinzelt mal nach einem eigenen Handy fragt, „so eines, wo man auch Filme drauf gucken kann…“. Klar, beide Kinder sind natürlich von klein auf mit Smartphone, dann Tablet und dann Smart-TV in Berührung gekommen und vieles, was für uns irgendwann mal „neu“ war, wie irgendwelche Tipp-, Wisch- oder Pinch-Gesten, steckt ihnen irgendwie schon der DNA. Aber für beide ist eigentlich immer noch das Medium Buch dominanter.

Als ich vor etwa einem Jahr mein altes Netbook ausrangiert habe, habe ich das mit einer Linux-Distribution speziell für Kinder bespielen lassen und dann meiner Tochter geschenkt. Da sind viele (Lern-)Spiele und auch ein gesicherter Browser drauf. Damit kann sie im Prinzip so oft und so viel spielen, wie sie mag. Sie nutzt das regelmäßig, aber gar nicht so viel, dass wir da irgendwie regulieren müssten.

Würden wir ihr unbeschränkten Zugang zum Kika erlauben, wäre die Gefahr exzessiven Medienkonsums glaube ich größer… :-) Wobei ich zugeben muss, dass das Vorabendprogramm des Kika mit Sendungen wie Pur Plus oder Logo echt zum Besten (oder einzig Guten…?) gehört, was die Fernsehlandschaft (noch) so hergibt…

10. Was kommt bei Euch zuhause auf den Kinderteller?
Wenn es nach meiner großen Tochter ginge, dann gäbe es immer, wirklich immer Kartoffelbrei. Sowohl meine Frau und ich kochen ganz gern und Kartoffelbrei haben wir inzwischen echt perfektioniert. Sie braucht auch meistens wirklich nicht viel dazu, um happy zu sein. Am liebsten mag sie „grüne Soße“, eine Eigenerfindung meiner Frau aus Erbsen, Sahne, Curry und etwas Zitronensaft, oft tut es aber auch einfach ein Klacks Butter. Nun ja, rein ernährungswissenschaftlich könnte es wahrscheinlich schlimmer kommen als Kartoffelbrei…

Die Kleine ist da (noch und Gott sei Dank) weniger fixiert und probiert wirklich alles, so dass wir wenigstens hier ein bisschen unsere Kochfaibles ausleben können.
Allerdings beschränkt sich das zumeist auf die Wochenenden, weil die Kinder unter der Woche in der Schule bzw. in der Kita Mittagessen und wir am Abend in aller Regel das klassische „Abendbrot“ als gemeinsame Familienmahlzeit haben. Da kann es dann allerdings gut sein, dass unsere Kleine nur noch eine halbe Salatgurke verdrückt, weil sie sich ansonsten schon an dem Brötchen sattgesessen hat, ohne das man tunlichst nicht in der Kita aufkreuzen sollte, wenn man sie abholt, wenn man keinen Riesenärger mit ihr haben will…

Wir sagen vielen lieben Dank für diese spannenden und persönlichen Antworten, die unseren Lesern ja vielleicht weiterhelfen bei der Organisation von Arbeit und Familie.

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