Bücher für Väter

Buchtipp: „In der Geburtsklinik“ – Interview mit Autor Dr. med. Richard Krüger

buch in der geburtsklinik

Das Abenteuer als Vater beginnt nicht erst, wenn euer Baby auf die Welt gekommen ist. Vielmehr startet die aufregende Zeit ab dem Moment, in dem sich die beiden Streifen auf dem Schwangerschaftstest blau färben. Denn dann beginnt der Nestbau und die Planung für die neue Familienkonstellation. Und auch der Besuch der Geburtsklinik für die Geburt in eine spannende Sache, gerade für den Vater. Klar ist es dabei, um die Mutter zu unterstützen und den besonderen Moment zu erleben. Was aber sollte er noch wissen und wie kann er helfen? Diese und noch mehr Fragen beantwortet das Buch „In der Geburtsklinik“, daher haben wir den Autor Dr. med. Richard Krüger zum Interview gebeten.

Der Autor Dr. med. Richard Krüger weiß, wovon er schreibt und wie es rund um den Kreißsaal abgeht, denn er ist Assistenzarzt für Gynäkologie und Geburtshilfe und hat mehrere Jahre lang Geburten in Deutschlands größter Geburtsklinik, der Charité in Berlin, begleitet. Und wer so eine Station als Mediziner*in hinter sich hat, der kennt die vielen unsicheren und eingeschüchterten Paare, die zur ersten Entbindung in der Geburtsklinik erscheinen. Viele kommen unvorbereitet und verängstigt in den Kreißsaal, obwohl sie dort ja eigentlich das größte Wunder der Menschheit erwartet.

Und so entstand seine Idee zu dem Buch „In der Geburtsklinik“. Damit möchte er Ängste nehmen, die Abläufe erklären und auch Begriffe und Tabuthemen wie Geburtsverletzungen, Saugglockengeburt und Kaiserschnitt vorstellen. Wir wollten zu seinem Werk noch etwas mehr erfahren, daher haben wir Dr. med. Richard Krüger ein paar Fragen gestellt.

Dr. med. Richard Krüger, Autor von In der Geburtsklinik
© Charité / Simone Baar

Interview mit Dr. med. Richard Krüger, Autor „In der Geburtsklinik“

Wie können Väter ihre Partnerinnen während der Geburt am besten unterstützen?

Die wichtigste Maßnahme ist, einfach da zu sein – körperlich und mental. Schnell merkt man, ob jemand wirklich bei der Geburt dabei sein will oder nicht. Handyspiele, einfach Rauszugehen oder im Kreißsaal zu telefonieren sind eher kontraproduktiv und respektlos. Stattdessen hilft es, Ruhe auszustrahlen, Massagen anzubieten, Getränke zu reichen und Mut zuzusprechen. Das hilft der Gebärenden, Stress abzubauen und sich auf die Geburt zu konzentrieren.

Am besten unterstützen Väter ihre Partnerinnen, wenn sie sich vorher inhaltlich mit der Geburt auseinandergesetzt haben und die relevanten Abläufe kennen. So kann das Paar, ähnlich wie beim „Navigieren beim Autofahren im Ausland“, gemeinsam mitdenken und aufpassen. Der Vater kann dann auch die Interessen seiner Partnerin gegenüber dem Personal der Geburtsklinik vertreten, falls sie dies während der Geburt nicht mehr selbst kann.

Welche Möglichkeiten gibt es für Väter, eine Bindung zum Neugeborenen aufzubauen?

Eine wunderbare Möglichkeit bietet der unmittelbare Haut-zu-Haut-Kontakt. Dieser sollte nach der Geburt zunächst zwischen Mutter und Kind hergestellt werden. Wenn das aufgrund Komplikationen oder einem Kaiserschnitt nicht möglich ist, bei denen die Mutter nach der Geburt noch zu Ende operiert werden muss, kann der Vater perfekt einspringen. Hierzu zieht der Vater sein Oberteil aus und nimmt das Baby direkt auf seine Brust. Warme Handtücher werden vom Personal verwendet, um beide warm einzuwickeln. Auch nach dem ersten Hautkontakt zwischen Mutter und Kind im Geburtsraum kann der Vater diese Nähe weiter ausbauen. Ich selbst habe zum Beispiel im Familienzimmer auf der Mutter-Kind-Station Zeit mit meinem Sohn gebonded, während meine Frau nach der Geburt ihren verdienten Schlaf nachgeholt hat.

Gibt es nur Vor- oder auch Nachteile bei der Anwesenheit des Vaters im Kreißsaal?

Es ist ein großer Vorteil, wenn der Vater bei der Geburt anwesend ist und eine innige Beziehung zur Gebärenden hat. Es ist aber auch völlig in Ordnung, wenn beide entscheiden, dass der Vater nicht die am besten geeignete Begleitperson während der Geburt ist. Einzig wichtig ist, hier wirklich ehrlich und wiederholt während der Schwangerschaft darüber zu sprechen, welche Ängste, Unsicherheiten oder Meinungen zur Anwesenheit des Vaters bei der Geburt bestehen. Nur wenn sich alle einig sind, dass der Vater die beste Begleitperson ist, kann der intime und schöne, aber auch anstrengende Geburtsprozess von allen genossen werden.

alex hockett GiP2H SKh7E unsplash 1
© Alex Hockett (Unsplash)

Es kann ein Nachteil sein, wenn ein Neugeborenes in die Arme eines Paares geboren wird, das gerade nicht harmoniert, weil die gemeinsame Geburtserfahrung belastend war und letztlich hat es jede Gebärende verdient bestmöglich während der Geburt unterstützt zu werden – vom Personal in der Geburtsklinik UND von der Begleitperson.

Wie hat sich die Geburtshilfe in den letzten Jahrzehnten verändert, insbesondere in Bezug auf die Einbeziehung von Vätern?

Früher war die Geburt Frauensache. Irgendwann kamen Männer als Ärzte dazu, und seit etwa 50 Jahren ist es abhängig vom kulturellen Hintergrund der Eltern Standard geworden, dass der Kindsvater bei der Geburt anwesend ist. Gleichzeitig ist der soziale Druck gestiegen. Wenn ein Paar mitteilt, dass sie die Geburt nicht gemeinsam erleben möchten, kommt schnell die Frage auf: „Ist bei euch alles in Ordnung, habt ihr Beziehungsprobleme?“

Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass man niemandem Rechenschaft schuldig ist, wie man sich als Paar die Geburt vorstellt und organisiert. Feedback sollte man sich nur von Menschen einholen, denen man vertraut und deren Meinung einem wichtig ist. Für alle anderen Menschen würde ich empfehlen, einen Geburtstermin anzugeben, der zwei Wochen später liegt, um drängende Fragen zum Schwangerschaftsende zu vermeiden und stattdessen mit der Nachricht der bereits stattgefundenen und erfolgreichen Geburt mit einem süßen Bild des Babys zu verkünden.

Wie können sich werdende Väter am besten auf die Geburt vorbereiten?

Das ist gar nicht so leicht, denn es gibt kaum konkrete Hinweise für die Begleitperson. Teilweise gibt es Geburtsvorbereitungskurse für Väter, die jedoch häufig die Informationen für die Schwangere außer Acht lassen. Es ist besonders sinnvoll, wenn sowohl die Schwangere als auch ihr Partner wissen, was beide während der Geburt erwartet, um sich gegenseitig an mögliches Wissen während der „Stresssituation Geburt“ erinnern zu können. In meinem Buch „In der Geburtsklinik“ zur Vorbereitung auf die Geburt in der Klinik habe ich alle relevanten Abläufe und Informationen so geschrieben, dass sie verständlich für Männer und Frauen sind. Zusätzlich gibt es extra Infokästen für die Begleitpersonen, um spezifisches Wissen für Väter bereitzustellen.

97834421429414
© Goldmann Verlag – Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH

Ich finde auch das Schreiben eines Geburtsplans super hilfreich, um die konkreten Abläufe der Geburt mit allen Eventualitäten durchdenken und hierbei die eigenen Wünsche und Vorlieben an das Personal mitteilen zu können, ohne sie während der Geburt im Kreißsaal mündlich erklären zu müssen. 

Gibt es häufige Ängste oder Bedenken, die du bei werdenden Vätern beobachtest?

Väter haben oft Angst, nicht zu wissen, was sie während der Geburt tun sollen. Das ist völlig verständlich. Die gute Nachricht ist: Sie müssen kaum relevante Entscheidungen treffen – dafür ist das Klinikpersonal da. Das Personal kann jedoch nicht die intime Vertrautheit ersetzen, die der Partner der Schwangeren bieten kann. Neben dem natürlichen Stress ist auch Entspannung wichtig, um dem Baby den Weg aus dem Geburtskanal zu erleichtern – hier kommt der Partner ins Spiel. Väter müssen während der Geburt vor allem durch Ruhe und Anwesenheit glänzen und sich auf die Bedürfnisse ihrer Partnerin konzentrieren. Wenn die Schwangere auf die Wehen konzentriert ist, kann der Partner dem Personal gegenüber die individuellen Wünsche des Paares ausdrücken – als Kopilot sozusagen.

Was hat dich dazu inspiriert, ein Buch über die Geburtsklinik zu schreiben?

Während vieler Nacht- und Wochenenddienste als Assistenzarzt habe ich festgestellt, dass trotz zahlreicher Geburtsvorbereitungskurse und Schwangerschaftsratgeber die wenigsten Eltern wirklich realistisch auf die Geburt vorbereitet sind. Das führt oft zu Enttäuschung und Stress, wenn die Realität anders aussieht als erwartet. Da 98,5 % der Geburten in Deutschland in Kliniken stattfinden, macht es Sinn, sich mit den konkreten Abläufen dort zu beschäftigen. Über die Hälfte aller Gebärenden nutzt medizinische Interventionen, um die Geburt zu erleichtern: jede vierte Schwangere nutzt die Linderung der Wehenschmerzen durch eine Periduralanästhesie (PDA).

Jedes dritte Kind in Deutschland wird per Kaiserschnitt geboren, dennoch gibt es kaum objektive Informationen zur Vorbereitung. Wer im Vorhinein medizinische Unterstützung ablehnt, darf trotzdem während der Geburt seine Meinung ändern. Dann ist aber ein schlechter Zeitpunkt, um während Wehenschmerzen über Vor- und Nachteile medizinischer Maßnahmen aufzuklären. Meine Empfehlung lautet daher, einen guten Geburtsvorbereitungskurs von einer Hebamme zu besuchen und mein Buch zu lesen, um die ärztliche Perspektive kennenzulernen. Wer frühzeitig und offen über die eigenen Empfindungen, Ängste und Wünsche spricht, ist bestens vorbereitet. Willkommen im spannendsten und schönsten Fach der Medizin: der Geburtshilfe!

Lieber Richard, vielen Dank für deine wertvollen Hinweise. Du hast dir wirklich einen schönen und besonderen Beruf ausgesucht, der der viele besondere Momente verschafft, aber sicherlich auch aufreibend und nicht immer einfach ist. Deine Tipps werden angehenden Eltern sicherlich helfen, dem Besuch in der Geburtsklinik etwas entspannter entgegenzusehen.

Infos zu „In der Geburtsklinik“

  • Herausgeber: ‎ Goldmann Verlag
  • Erscheinungstermin: 21. Februar 2024
  • Umfang: ‎ 352 Seiten
  • Abmessungen : ‎ 12.6 x 3.5 x 18.8 cm
Shares: