Bücher für Väter

Buchtipp: „Mit Kindern über den Krieg sprechen“ – Interview mit Rüdiger Maas

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Rüdiger Maas ist Generationenforscher und Gründer des Instituts für Generationenforschung. Das macht ihn zu einem ausgewiesenen Experten bezüglich der Unterschiedene zwischen den Generationen X, Y, und Z. Insbesondere zur Gen X habe ich in meinem Magazin NOT TOO OLD eine hörenswerte Podcast-Folge mit ihm aufgenommen. Er ist aber auch Vater und an den Themen interessiert, die unseren Nachwuchs betreffen. Somit bringt er alle Voraussetzungen mit, um Bücher mit lesenswertem Inhalt zu füllen und Eltern von Kindern aller Altersstufen damit unterstützend zur Seite zu stehen. Nach seinem Spiegel-Bestseller „Generation lebensunfähig: Wie unsere Kinder um ihre Zukunft gebracht werden“ hat er nun einen Ratgeber herausgebracht, der sich mit kindgerechten Gesprächen über Krieg und andere Katastrophen beschäftigt. Darüber wollten wir mehr wissen.

In der aktuellen Situation sind viele Erwachsene mit dieser thematischen Herausforderung konfrontiert und in der Pflicht, ihre Kinder altersgerecht zum aktuellen Tagesgeschehen zu informieren. Sein Buch heißt „Wie ich mit Kindern über Krieg und andere Katastrophen spreche“. Neben informativem Hintergrundwissen gibt er gemeinsam mit der Sozialpädagogin und Psychologin Dr. Eliane Perret Tipps für den individuellen Umgang mit Konflikten, Krieg und anderen Katastrophen. Er stellt Methoden vor, um derartig sensible Themen altersgerecht mit dem Nachwuchs aufzuarbeiten. Wie das funktionieren kann, hat Rüdiger Maas uns im folgenden Interview verraten.

Interview mit Autor Rüdiger Maas

Daddylicious: Erzähle uns doch kurz etwas zu dir.

Rüdiger Maas: Seit 2012 erforsche und analysiere ich mit meinem Team gesellschaftlich relevante Themen sowie generationsbedingtes Verhalten. Darüber habe ich inzwischen sechs Bücher geschrieben, zu denen neben Fachbüchern nun auch ein Ratgeber zählt.

Autor Rüdiger Maas stellt sein Buch „Wie ich mit Kindern über Krieg und andere Katastrophen spreche“ vor
Buchautor und Generationenforscher Rüdiger Maas

Deine Mission ist also, in Generationen zu denken – wo liegen deiner Meinung nach ihre größten Unterschiede in Verhalten und Denkweise?

Möglichst knapp und verständlich zusammengefasst, können wir die verschiedenen Generationen grob in zwei Kohorten einteilen: einmal in analog geprägte und einmal in digital geprägte Menschen. Diese unterscheiden sich wiederum in vielen Verhaltens- und Denkmustern.

Das Wort Krise wird von den Medien schnell hochgespielt – wann handelt es sich deiner Ansicht nach um eine Krise und was macht sie aus?

Das Wort Krise stammt ursprünglich aus dem Altgriechischen und bedeutet soviel wie Beurteilung oder Meinung, die ich mir gerade bilde. Nehmen wir zum besseren Verständnis noch ein weiteres Wort mit griechischem Ursprung hinzu. Kritik, was so viel bedeutete wie zu unterscheiden – beispielsweise die verschiedenen Meinungen, die wir uns eben gebildet haben. Krise ist also was Subjektives, das in den Medien gerne als objektiv dargestellt wird.

So bedeutet der Krieg in der Ukraine für die Betroffenen etwas völlig anderes als für uns. Mit Krise wird oft eine unveränderliche Spaltung beschrieben, die kein Zurück mehr zulässt. Bei meiner Unterteilung in analog vs. digital geprägte Kohorte beschreibe ich etwas Ähnliches, denn alle jüngeren Generationen, die nun nachrücken, werden nie wieder eine rein analoge Kindheit haben.

Sollten wir aktuelle Krisen grundsätzlich mit Kindern besprechen – was würde passieren, wenn wir dies nicht tun?

Ab einem bestimmten Alter bekommen Kinder unweigerlich mit, dass etwas passiert – sei es auf den Weg zur Schule, im Kindergarten, sie hören es im Radio oder wenn Erwachsende darüber sprechen. Also ja! Denn unsere Aufgabe ist es, Kindern Hoffnung und Mut zu machen, ohne ihnen etwas vorzuenthalten. Im Zweifelsfall hören sie es sonst über andere Wege und verarbeiten es womöglich in unangebrachter Art und Weise.

Dabei sollten belastende Themen wie der Ukraine-Krieg immer altersgerecht in die Lebenswirklichkeit der Kinder übersetzt werden. Hierzu eignen sich Beispiele aus ihrem Alltag: Maxi nimmt dir den Bagger weg, du bist wütend und haust ihn – nun erwarten alle, dass du dich entschuldigst. Diese Form der Umschreibung ist für Kinder gut nachvollziehbar und mit ihrem eigenen Leben vereinbar.

Ab welchem Alter sollten wir mit unseren Kindern über Krisen sprechen?

In der Regel können Kinder ab circa zehn Jahren einen journalistischen Beitrag auch als solchen bewerten. Mit zunehmendem Alter steigt dann das Reflektionsniveau. So bilden sich etwa Jugendliche eine eigene Meinung, über die man gemeinsam sprechen kann. Bei jüngeren Kindern sollte auf die individuelle Entwicklung geachtet und Dinge entsprechend vermittelt werden.

Was gab für dich den ausschlaggebenden Moment, dein gerade erschienenes Buch „Wie ich mit Kindern über Krieg und andere Katastrophen spreche“ zu schreiben?

Ich habe sowohl Anfragen von Journalisten als auch von Eltern und Lehrern erhalten, die mich gefragt haben, wie sie mit ihren Kindern und der Situation in der Ukraine umgehen sollen. Da wir als einziges Institut unmittelbar vor und nach Kriegsausbruch Daten erhoben haben, konnte ich aus erster Hand Einschätzungen geben. Diese Auswertungen haben gezeigt, dass die verschiedenen Generationen auf die Situation sehr unterschiedlich reagiert haben und vor allem der Informationsfluss und dessen Geschwindigkeit unterschiedlich verarbeitet wurden. Daraufhin habe ich mich entschieden, allen Eltern und Interessierten hier eine Art Ratgeber an die Hand zu geben.

Gib uns doch mal eine Einschätzung zu einem konkreten Beispiel: Mein Kind hat verstörende Bilder aus dem Kriegsgebiet gesehen, wie gehe ich damit um, wie spreche ich mit meinem Kind?

Wichtig ist, dass wir nichts hinzufügen, was unsere Kinder vielleicht auf den Bildern noch gar nicht entdeckt haben. Also am besten erst einmal der Geschichte aus Sicht des Kindes aufmerksam folgen und im Anschluss diese altersgerecht erklären. So wie ich es etwa anhand meines Beispiels mit dem geklauten Bagger gemacht habe. Eine weitere Idee ist auch, mit Kindern etwas Schönes zu unternehmen, wenn in der Welt etwas sehr Schlimmes passiert. Denn Krieg macht natürlich Angst, die sie in der Geborgenheit ihres Zuhauses verlieren können, indem wir sie beruhigen, Hoffnung machen und positive Situationen schaffen.

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Was kann ich tun, wenn Mitschüler meines Kindes direkt von Krisen betroffen sind?

Je nach Kind, Krise und Alter muss man auch direkt betroffenen Kindern den Freiraum lassen, eben nicht mit Dritten darüber zu sprechen. Hier sollten Erwachsene sehr behutsam vorgehen und ihnen die Wahl lassen, wie viel und was sie erzählen wollen. Gleichzeitig empfehle ich, nicht „künstlich“ um den heißen Brei zu reden, sondern sich eine Art Einverständnis zu holen, wie viel und was besprochen werden darf.

Wie sehr beeinflussen die Medien mein Kind und wie gelingt mir ein verantwortungsvoller Umgang?

Enorm! Vor allem Social Media beeinflusst Kinder, aber auch Erwachsene sehr. Wir konnten das am Ukraine-Krieg gut sehen. Plötzlich gab es neben journalistischen Beiträgen auch ukrainische oder russische Influencer, die aus ihrer Sicht berichten. Gleichzeitig stellt sich dabei auch immer die Frage, wie seriös die Quelle ist. Hier hilft nur, mit dem Kind über Gesehenes zu sprechen, denn oft sehen sie extreme Situationen via Smartphone, die nicht für ihre Augen gedacht sind. Hinzu kommen unangebrachte Kommentare, und das oft unter dem Radar von Erwachsenen. Deshalb sollten Eltern den Dialog über die Cyberwelt unbedingt mit ihren Kindern führen!

Zu guter Letzt: Welche drei Tipps unterstützen Väter im Krisengespräch mit ihren Kindern?

  • Digitale Pausen einlegen – egal ob vom TV oder von Social Media – und mit den Kindern etwas unternehmen. Auch um sich selbst abzulenken und wieder Energie zu tanken.
  • Bei keinem Thema etwas dazudichten, schon gar nicht bei möglichen eigenen Wissenslücken.
  • Kindern immer Hoffnung und Zuversicht geben.

Lieber Rüdiger, vielen lieben Dank für die nützlichen und hilfreichen Antworten. Wir hoffen, dass sie den Müttern und Vätern helfen, noch souveräner mit den Informationen umzugehen und ihre Kinder altersgerecht aufklären.

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Details zum Buch

Titel: Wie ich mit Kindern über Krieg und andere Katastrophen spreche
Autor: Rüdiger Maas und Eliane Perret
Veröffentlichung: 1. Juni 2022
Preis: 12,99 Euro
ISBN: 978-3-96890-115-2
Verlag: BrainBook
Seitenzahl: 80 Seiten

Autorenprofil von Rüdiger Maas

Rüdiger Maas ist Generationsforscher und Gründer des Instituts für Generationenforschung. Maas hat Psychologie in Deutschland und Japan und später noch Philosophie studiert. Seit 2012 erforscht und analysiert er mit seinem Team gesellschaftlich relevante Themen sowie generationsbedingtes Verhalten. Mit seinen zahlreichen Fachbüchern und Vorträgen ist Maas inzwischen der bekannteste Generationenforscher Deutschlands.

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