Longboarder und Skateboarder haben´s nicht so miteinander. Letztere schauen auf erstere immer ein bisschen runter: die Bretter viel zu groß und sperrig, keine Optionen für „richtige“ Tricks, dann der große Hype, auf den derzeit jeder Hipster und jeder Yuppie aufspringt. Buh, voll mainstream. Warum steht das alles hier? Ich gehöre seit 30 Jahren letzterer Spezies der Skateboarder an – und soll jetzt den Quinny Longboardstroller unter die Lupe nehmen… Hm.
Dann will ich direkt mal losledern: dass die Konstruktion nicht für „richtige“ Skateboards kompatibel ist, geht schon mal gar nicht klar. Bei Licht betrachtet aber, würde das Sitzmodul, also der eigentliche Stroller, bereits fast die gesamte Länge eines „richtigen“ Skateboards einnehmen, was nicht nur dem „echten“ Skater ziemlich wenig Platz ließe, sondern auch der Stabilität und damit Sicherheit des Ganzen nicht gerade zuträglich wäre (Obwohl es natürlich keinem „echten“ Skater irgendwelche Probleme bereiten würde, auch ein solches Vehikel souverän durch die Straßen zu manövrieren) Anyway…
Material- und Konstruktions-Check, Board:
Wie gesagt, „nur“ ein Longboard, aber: same, same, eigentlich… Will sagen: da kenn ick mia aus! Daher nehme ich mir den Quinny Longboardstroller genauer vor. Das Deck entspricht der Qualitätsware, wie sie mich seit Jahrzehnten begleitet. Neun Schichten Bergahorn, guter Flex. Passt. An der Nose ein amtlicher Guard, da passiert nix. Die Achsen: von Tracker (dafür ist Tony Hawk früher gefahren. Ah, Tony Hawk..!) Hochinteressant dabei ist die Handbremse, die per Seilzug durch den Hanger, also den horizontalen Teil der Achse, an dessen Enden die Wheels montiert sind, in die monströsen runden Urethan-Gemische führen.
Mönströs deshalb, weil sie mit 107 mm einen ca. doppelt so großen Durchmesser aufweisen, als Wheels „echter“ Skateboards. Man braucht zwar etwas, um Wheels dieser Größe auf Touren zu bekommen. Allerdings halten diese die erreichte Geschwindigkeit sehr viel länger, als kleine, und können auch insg. sehr viel höhere Geschwindigkeiten erreichen. Auch sind die Wheels sehr viel weicher, als die an Brettern, die zum tricksen gedacht sind.
Der Effekt: Sie absorbieren rauhen Untergrund, hochstehende Gehwegplatten oder kleine Steine sehr viel besser und verleihen dem Board insgesamt eine höhere Laufruhe, oder „smootheres Surf-Feeling“. Dazu bzw. zur allgemeinen Stabiliät tragen auch die sehr breiten Achsen bei, ca. um ein Drittel ausladener, als bei klassischen Skateboards. Als „Fachmann“ interessierte mich natürlich schließlich auch der Hersteller, mit dem Quinny diese Kollaboration eingegangen ist. Und mit den Basken von HLC haben sie tatsächlich eine wirklich gute, renommierte Produktionsstätte für Decks und Wheels des Quinny Longboardstroller gleichermaßen gewählt.
Konstruktions-Check, Stroller:
Das Ding kommt natürlich nicht aus nem Skateboard-Woodshop, sondern von Quinny. Entsprechend sitzt in dem Aufbau logischerweise die eigentliche Kernkompetenz des Ganzen. Der gesamte Stroller macht einen stabilen, dennoch flexiblen Eindruck, der Sitz für den prominenten Fahrgast wirkt komfortabel und der 5-Punkt-Gurt sowie die beiden Bein- und Fußschlaufen verhindern einen ungewollten Abflug. Zu schnelles Beschleunigen oder abruptes Abbremsen sollten allerdings tunlichst vermieden werden, da Kopf und Hals des Kindes ansonsten heftigen Schleuderbewegungen ausgesetzt werden.
Wie bei einem klassischen Buggy, denn einem solchen entspricht der Aufbau in etwa, verfügt auch dieser Stroller über einen zusätzlichen Sicherheitsbügel. Dieser jedoch dürfte aufgrund des o.g. möglichen Schleuderns in meinen Augen stärker gepolstert sein. Der gesamte Aufbau lässt sich mühelos einklappen und damit gut im Auto, oder aufrecht neben dem Schrank verstauen. Für die Extraprise Surf-Gefühl gibt´s noch die Leash, also Sicherheitsleine, die man allerdings am Handgelenk fixiert, und nicht wie auf dem Wasser, an den Fußfesseln (Der Slam wäre dann äußerst sehenswert…)
Die bereits genannte Handbremse lässt sich per Knopfdruck fixieren, so dass einem das riesige Board nicht unverhofft mal wegrollt, wenn man gerade seine teure Fracht hineintüdelt. Diese sollte über ein Jahr alt sein und 15kg Körpergewicht nicht überschreiten. Der Chauffeur wiederum sollte nicht mehr als 100kg auf die Waage bringen. Im Weiteren wird sowohl für Klein, als auch Groß die gesamte Palette an Protektoren, sprich Helm, sowie Knie- und Ellbogenschoner empfohlen, außerdem soll die Höchstgeschwindigkeit von 18 km/h nicht überschritten werden. Als Tacho müsste dann das Handy herhalten, sowas gibt es nicht als Zubehör für den Quinny Longboardstroller.
Denn mal los…
Auf der Straße kurz nach möglichen Bekannten umgeguckt, die mir mein jahrzehntelang sauer aufgebautes Image in der „echten“ Skate-Szene mit einem einzigen Instagram-Post pulverisieren könnten, die Kleine festgezurrt und ab dafür! Das Ganze natürlich auf dem Gehweg, versteht sich. Wie zugegebenermaßen zu erwarten war, ein toller Spaß! Nicht zuletzt auch für meine kleine Süsse, die das ganz offensichtlich sehr viel höhere Tempo gegenüber einer Ausfahrt im Buggy begeistert zur Kenntnis nimmt.
Der Stroller hat außerdem die Funktion eines Lenkers, ähnlich wie bei einem Roller. Ungeübten sei unbedingt empfohlen, sich zunächst ein weiträumiges Areal wie beispielsweise einen sonntäglichen Supermarktparkplatz (Im Zweifel aber auch offiziell verboten) zu suchen und ein Gespür für das Vehikel zu entwickeln. Neben Geschwindigkeit (mit diesen Rollen wird man schneller als ein Fahhrad!) und Bremsverhalten sei ans Herz gelegt, ein vertrautes Gefühl zum allgemeinen Lenkverhalten des doch recht wuchtigen Gefährts zu bekommen.
Denn dieses reagiert zwangsläufg träger und muss weiträumiger rangiert werden, als z.B. ein herkömmliches Skateboard, ein Roller oder auch ein Kinderfahrrad. Die Bremse greift übrigens so gut, dass der Umgang mit ihr ebenfalls genau erfühlt werden sollte. Ansonsten können in extremen Situationen Schleudertraumata nicht völlig ausgeschlossen werden. €599 muss man zwar erst mal übrig haben, für ein solches Teil, noch dazu limitiert auf 1.000 Stück, geht das aber meines Erachtens als ein fairer Preis durch.
Fazit zum Quinny Longboardstroller
Qualität und Funktionalität der beiden wesentlichen Komponenten machen einen einwandfreien Eindruck. Aufgrund der Bewegungsfreiheit von Kopf und Hals des kleinen Passagiers ist insbesondere beim Abbremsen und Lenken große Vorsicht geboten. Im Vorfeld sei gut überlegt, wo man den Quinny Longboardstroller nutzen will und kann. Ein hoher Spaßfaktor ist jedenfalls gegeben, und dies nicht zuletzt auch deshalb, weil es nichts Schöneres gibt, als dem Superstar der Familie ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Ride on, Kinder an die Macht!
Maße und Gewichte:
Entfaltet:
1.355 x 505 x 1.060 mm
Zusammengeklappt:
1.355 x 505 x 365 mm
Gewicht: 11 KG