Es ist unsere erste Reise nach Südtirol. Und die Kinder wissen nicht so recht, was sie erwartet. Sie wissen, es geht nach Norditalien, aber Tirol verbanden sie bisher mit Österreich. Und so soll hier ausnahmsweise am Anfang mal ein kleiner Geschichtsexkurs stehen, den wir euch hier nicht vorenthalten wollen: Wen‘s nicht interessiert, der kann den Absatz einfach überspringen.
Exkurs zu Südtirol
Genau genommen handelt es sich bei Südtirol um die „Autonome Provinz Bozen – Südtirol“. Früher war ganz Tirol ein Teil von Österreich-Ungarn. Erst 1919, nach dem Ersten Weltkrieg, ging ein Teil davon an Italien: Südtirol. Die Folgejahre waren geprägt von Musssolinis Italianisierungspolitik, die alles Deutsche unterdrückte. Bis in die 70er Jahre gab es viel Streit, leider auch blutigen, zwischen Italien und Österreich um den Status der Region. Erst 1972 trat das Autonomiestatut in Kraft, das der Südtiroler Bevölkerung weitgehende Unabhängigkeit von der römischen Regierung zusicherte. Und so gehört Südtirol zwar immer noch zu Italien, erklärt aber auch, weshalb ein Großteil der Bevölkerung Deutsch und Italienisch spricht und es Gutes aus beiden Ländern vereint.
Unser Familienurlaub in den Bergen
Zurück zur Reise: Hinter dem Brenner treffen wir auf mediterrane Sonne und eine wunderbare Kaffeekultur, auf Törggelen und Steinofenpizza, auf alpine Rad- und Wanderwege, Dolce Vita, kleine Gassen und urige Gemütlichkeit. Lana heißt der Ort, der für ein paar Tage unser Zuhause sein soll, und zwischen Bozen und Meran im Etschtal liegt. In der „Villa am Gries“ finden wir bei Franziska eine helle und freundliche Unterkunft mitten im Ort. Sie hat die Welt gesehen und wusste dennoch immer, wo sie letztlich leben will: In Lana zwischen Apfelwiesen und Weinreben und nahe an den Wäldern des Vigiljochs. Hier gehören ihr und ihrem Bruder mittlerweile 19 Wohnungen, die sie an Gäste vermietet.
Sie ist Südtirolerin durch und durch, kennt das ganze Dorf und hat ein paar großartige kulinarische Tipps für uns: Ein paar Schritte nur über die Straße sind es zum Backificio, wo wir morgens die köstlichsten Croissants außerhalb Frankreichs bekommen. 150 m weiter verwöhnt uns „Mein Beck“ mit reichhaltigem Frühstück, frisch gepresstem O-Saft, super Smoothies und vielem mehr. Einmal quer durch den ganzen Ort, der sich lang dahinstreckt, geht es zum Kuntrawant, der stylishen Kaffeerösterei von Josef, der Bohnen aus der ganzen Welt zu großartigen Kaffeespezialitäten veredelt und uns mit Leidenschaft sein Handwerk erklärt. Danke, Josef, das hat uns wahnsinnig viel Spaß gemacht.
An einem Abend geht es zum Pfefferlechner, dem urigen Buschenschank im Ort, mit dem selbstgebrauten Bier, das auch weit über Südtiroler Grenzen hinaus Preise gewinnt. Ein andermal fahren wir aus dem Ort hinaus auf die Höhe zum Haidenhof, der uns neben einem phantastischen Blick ins Tal deftiges Hirschgulasch und Berg-Bolognese serviert. Natürlich darf auch die Pizza aus dem Steinofen nicht fehlen, die wir sehr freundlich serviert beim Lanahof im Dorfzentrum genießen. Ein spontaner Glücksgriff, den wir ganz zufällig aus dem Augenwinkel beim Vorbeifahren entdecken, ist Past-da: selbstgemachte Ravioli, die uns am Abend in Butter geschwenkt unendlich glücklich machen.
Outdoor-Action für Klein und Groß
Aber wir sind ja nicht nur zum Essen hier. Die Region hat auch für Outdoorfans einiges zu bieten. Zum Glück treffen wir Kathi, der mit ihrem Mann Hannes zusammen die Bikeacademy gehört. Sie kommen aus der Region, haben sechs Kinder, von denen einige im Alter unserer Kinder sind, und wissen daher genau, was Familien wie wir mit jugendlicher Begleitung suchen und brauchen. Ihre Tipps: ein Ausflug in die Klettergärten, Tisner Auen und Hippolyt. Für beide benötigt man entsprechende Ausrüstung, die man entweder, wenn man selbst Felsklettern kann, bei der „Rockarena Meran“ ausleihen kann, oder hier einen Kletterguide anfragt. In der Kletterhalle selbst kann man ebenfalls drinnen und draußen bouldern oder klettern und so auch bei schlechtem Wetter Spaß haben.
Über die Rockarena kann man auch Klettersteigsets und Begleitung für eine Tour auf verschiedenen Klettersteigen der Gegend buchen. Hier bieten sich der Heini Holzer Klettersteig auf den Ifinger an, der Zieltal Klettersteig ab der Seilbahn Texelbahn oder der sehr anspruchsvolle Hoachwool-Klettersteig Naturns. Alle Infos am besten über die Website. Außerdem gibt es Hochseilgärten wie den Abenteuerpark und den Ötzi Rope Park, die ebenfalls adrenalinreiche Erlebnisse für Jugendliche garantieren.
Für heute aber ist Kathi unser Guide auf dem Rad und führt uns auf E-MTBs über versteckte Trails und herausfordernde Abfahrten, zu sagenhaften Ausblicken und sogar zu einem mystischen Kraftplatz. Wir starten im Zentrum von Lana, es geht am Golfplatz vorbei und über den Moosweg nach Tisens hoch. Wir umrunden den Gemobichl und radeln dann weiter auf dem Erlebnisweg Vorbichl mit spektakulärem Aussichtspunkt.
Nach einer kurzen Pause am Campingplatz Tisens (sehr chic) , führt der Weg hoch zum Hippolyt-Kirchlein und seinem sagenumwobenen Kraftort. Von dort geht es weiter über den Narauner Weiher flott abwärts nach Völlan. Sehr holprig führt die Route weiter bergab über den alten Römerweg, der uns kräftig durchschüttelt und gerade deshalb viel Freude macht. Glücklich und erfüllt von einem herrlichen Radtag kommen wir nach 900 Höhenmeter wieder in Lana an.
Wandern über Stock und Stein
Am nächsten Tag lassen wir es ein bisschen gemütlicher angehen und begeben uns auf den Marlinger Waalweg. Die Waalwege sind eine Besonderheit der Gegend; sie führen entlang der alten Wasserläufe, die einst für die Bewässerung der Felder angelegt worden sind, um das Wasser von den Bergen kontrolliert ins Tal zu leiten. Heute sind die Wege entlang der kleinen Wasserläufe herrliche Spazierwege ohne nennenswerte Steigungen. Der Marlinger Waalweg verbindet Lana und Töll und ist eine gemütliche Tour durch Weinberge auf halber Höhe mit herrlichem Blick aufs Etschtal und seine Obstplantagen.
Ein bisschen höher hinaus geht es am darauffolgenden Tag mit der Seilbahn und danach mit dem Einersessel: kein Besuch in Lana ohne einen Tag auf dem 1743 m hohen Hausberg, dem Vigiljoch. Uns erwartet ein echtes Naturparadies mit einem sensationellen Panoramablick – bei strahlendblauem Himmel können wir sogar die Dolomiten sehen! Wir wandern durch Kiefernwälder und über Almwiesen, zum St. Vigilis Kirchl, vorbei an Heilquellen und Waldseen wie der Schwarzen Lacke bis zur Naturnser Alm, wo wir hausgemachtes Gröstl und kräftige Suppe genießen.
Abwärts zur Seilbahn geht’s per Pedes, vorbei an der Family-Alm Gampl, vor allem für Familien mit kleinen Kindern ein lohnenswerter Stopp, und am Ende der Seilbahn am Vigilius Mountain, dem preisgekrönten 5-Sterne-Hotel des Stararchitekten Matteo Thun, der Lust auf einen Aufenthalt vielleicht mal ganz ohne Kinder macht 😉.
Wellness und Ursprünglichkeit
Der letzte Tag unseres Aufenthalts weckt uns erstmalig mit grauem Himmel. Zum Glück stehen heute am Vormittag ein Besuch auf dem Bauernhof und am Nachmittag Wellness in der Therme Meran auf dem Programm. Karin Kofler Frei, Bäuerin des Jahres 2023, erwartet uns auf ihrem Bauernhof am Stein (Probst-Wieser-Weg 17 in 39011 Völlan), um einen Einblick in das Leben und Arbeiten einer modernen Bauersfamilie zu gewähren. Ein bisschen ungewöhnlich für eine Reise mit Jugendlichen, aber in Südtirol spürt man an jeder Ecke, dass Traditionen und Brauchtum, Natur, Landwirtschaft und Heimatverbundenheit eine wichtige Rolle spielen, auch im Leben der jungen Menschen, sodass wir unsere beiden jungen Mitreisenden „nötigen“, ein bisschen hinter die Kulissen zu schauen.
Bei einem Rundgang durch die Ställe, zu den Apfelplantagen und der Kastanienwiese erfahren wir, wieviel Leidenschaft, Liebe und Arbeit in den Produkten stecken, die wir Konsumenten auf die Teller bekommen und in den Supermärkten in den Regalen finden. Auch wenn vieles von dem hoffentlich bekannt ist, so war es doch interessant, einmal mit eigenen Augen zu sehen und aus erster Hand zu erfahren, dass wirklich jeder einzelne Apfel von Hand gepflückt und jede Esskastanie vom Boden aufgelesen wird. Und was die 42-Jährige aus ihren hofeigenen Produkten kreiert und uns am Ende (auch von ihren jugendlichen Söhnen) auf ihrem Hofschank-Tisch serviert, ist so köstlich, dass wir ihr am liebsten gleich auch noch den Titel „Köchin des Jahres“ verleihen wollen.
Das entspannte Finale unserer Südtirol-Reise findet in der Therme in Meran statt. Diverse Saunen und Dampfbäder, Innen- und Außen-Pools und für Mama eine Aromalölmassage – angenehmer kann ein Regentag nicht ausklingen. Und dass es auch am Abreisemorgen noch wie aus Kübeln schüttet, ist für Südtirol zwar ungewöhnlich, erleichtert uns aber den Abschied, der uns auch so schon schwer genug fällt.
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