Neue Puppe hier, neues Spielzeugauto da: Kinder lieben Geschenke und Eltern lieben es, ihre Kinder zu beschenken. Da kann es schon mal vorkommen, dass es zu viel des Guten wird. Spätestens nach der Bescherung oder nach der Geburtstagsparty stellt sich die Frage: Braucht mein Kind wirklich so viel Spielzeug?
Im Winter eskaliert es bei Familie Hauck jedes Jahr aufs Neue. Der Startschuss für den Geschenke-Marathon fällt im November, wenn Töchterlein Valentina (5) Prinzessin-Party feiert. Einen Monat später stapeln sich schon die Päckchen unterm Weihnachtsbaum. Die Präsente-Orgie erreicht dann am 1. Januar ihren Höhepunkt, wenn Sohnemann Benjamin (2) die besten Wünsche fürs neue Jahr samt Geburtstagsgeschenken entgegennimmt.
Nach gefühlt zwei Monaten Dauer-Party sind die Bäuche dick, die Augenringe tief und das Kinderspielzeug stapelt sich im Wohnzimmer. Allen Minimalismus-Vorsätzen zum Trotz!
Wie konnte das (wieder) passieren? Ursachenforschung ist angesagt. An uns Eltern kann es nicht gelegen haben, wir haben uns an die „Ein-Geschenk-pro-Kind“-Politik gehalten. Naja fast, am Ende waren es ein großes Geschenk und zweimal Krimskrams. Des Auspackens wegen. Und der Optik. Man will ja keine Tränen sehen.
Es muss also die Verwandtschaft gewesen sein, die das Geschenke-Fass zum Überlaufen gebracht hat. Jetzt sind Papa und Mama gefragt, das Dickicht auszudünnen. Heißt: Ausmisten.
Aber, wie viel Spielzeug braucht mein Kind eigentlich?
Kinder unter zwei Jahren brauchen im Grunde genommen überhaupt kein Spielzeug. Das schreibt zumindest die Bundeszentrale für ärztliche Aufklärung in ihrem Ratgeber. Kleinkinder spielen mit allem, was sie greifen können – egal ob Schlüsselbund, Kochlöffel oder Tennisball.
Mit der Zeit kommen ohnehin Spielzeuge zum Schütteln, Ziehen, Stecken, Stapeln und viele bunte Teile aus Holz oder Plastik dazu. Später dann Autos, Puppen und kleine Figuren mit allerlei Zubehör.
Doch irgendwann ist das Limit erreicht. Das Kind hockt vor einem Berg von Spielzeug sitzt und verlangt nach Bespaßung, weil es überfordert ist und sich nicht mehr alleine beschäftigen kann.
Zu viel „Graffl“, wie der Franke sagt, irritieren es, stören seine Aufmerksamkeit, und die Konzentration geht flöten. Auch ältere Kinder wissen oft vor lauter Spielzeug gar nicht mehr, was sie spielen sollen – und verlieren am Ende die Lust daran.
Es gibt keine Formel, keine goldene Regel, die die perfekte Menge an Spielzeug vorgibt. Doch als Faustregel gilt: Weniger ist mehr.
Am Beispiel einer Kinderküche würde das bedeuten: Ein Topf, ein Kochlöffel und ein paar Teller reichen aus. Eine Kaffeemaschine, ein Waffeleisen und ein Mixer sind zu viel. Die kleinere Auswahl regt die Fantasie und Improvisation an
Nervenprobe: Das Chaos aushalten
Das heißt aber nicht, dass alles schön aufgeräumt sein muss und nichts angefasst werden darf. Das ist langweilig und bremst die Neugierde.
Jeder Vater eines Zweijährigen kennt es: Kein Regal, keine Schublade ist vor den kleinen Rackern sicher. Das „Hinterherräumen“ gleicht einer Sisyphosarbeit. Chaos ist unvermeidbar.
Ausmisten: Mülltonne, Keller, Flohmarkt oder Kinderheim?
Wenn das Chaos überhand nimmt, muss der alte Plunder raus aus dem Haus. Beim Aussortieren ist die Mithilfe des Kindes gefragt. Es bietet sich an, die Spielzeuge in drei Kategorien zu sortieren:
1. Ist das Spielzeug kaputt? Dann ist es ein Fall für die Tonne.
2. Spielt mein Kind (gerade) nicht damit? In diesem Fall kann es sich lohnen, die Teile einzumotten und zu einem späteren Zeitpunkt wieder auszupacken. Das muss keine Strafarbeiten sein, es kann auch Spaß machen. Vor allem dann, wenn die Kids mitmachen. In eine Umzugskiste kommt alles, wovon sich das Kind temporär trennen mag. Zuvor ist es hilfreich, das Spielen zu beobachten. Womit wird oft und intensiv gespielt? Sobald sich das Interesse verlagert, können die verstauten Sachen gegen andere getauscht werden.
3. Das Spielzeug war und ist nicht interessant. In diesem Fall gibt es zahlreiche Möglichkeiten, anderen damit eine Freude zu bereiten. „Wertvolles“ lässt sich gut auf dem Flohmarkt verklopfen oder auf den einschlägigen Kleinanzeigen-Börsen im Netz. Auf der Plattform „Wohin damit?“ können ausrangierte Spielzeuge (und mehr) gespendet werden. Bei der Paket-Aktion von „Kinder helfen Kindern!“ machen Kinder anderen Kindern eine Freude. Der Verein ADRA Deutschland organisiert jedes Jahr eine Paketaktion, bei der Kinder aus ärmeren Verhältnissen beschenkt werden.
Umsonstläden nehmen das Spielzeug gerne, sie finden sich in fast jeder Region. Dort ist alles kostenlos und darf einfach mitgenommen werden. Diese Läden richten sich nicht unbedingt an Bedürftige, sondern an alle, die sich von der Wegwerfgesellschaft abheben wollen. Daneben bleiben natürlich auch Kirchen und Verbände, das Rote Kreuz, die Tafel und weitere wohltätige Organisationen.
Zurückhaltung üben: Impulskäufe vermeiden
Geschafft! Der Krempel ist raus, die neu gewonnene Leichtigkeit im Kinderzimmer lässt Raum zum Durchschnaufen und für Kreativität. Die Gefahr ist jedoch groß, dass sich die leeren Schubladen schnell wieder mit neuem Zeug füllen.
Nicht nur an Geburtstagen und an Heilig Abend läuft der Spielzeug-Speicher voll. Auch zwischendurch kommt neuer Kram dazu. Wichtiger Unterschied: Möchte ein Kind etwas Neues, weil es sich langweilt? Ist es etwas, das die Freunde haben? Oder ein lang gehegter Herzenswunsch? Im Gespräch mit dem Kind lässt sich das meist herausfinden und erklären, warum das Spielzeug im Regal bleibt. Wenn kein Weg am Shopping vorbeiführt, macht es Sinn, bestehendes Spielzeug zu ergänzen. Das können beispielsweise weitere Puppenkleider oder neue Bausteine sein.
Ansage an Oma und Co.: Bitte nicht noch mehr
Und zu guter Letzt noch ein mutiges, aber liebevolles Wort an die Verwandtschaft:
Liebe Omas, Opas, Tanten, Onkel, Cousins und Schwippschwager, danke, dass ihr unsere Kinder so großzügig beschenkt. Aber sie haben genug Spielzeug. Klar, ein Buch oder ein Malblock gehen immer – damit die Kids etwas zum Auspacken haben. Wenn es mehr sein soll, dürft ihr euch gerne an einer größeren Anschaffung beteiligen, wie einem paar Schuhe, einer neuen Winterjacke oder einem größeres Fahrrad.
Titelbild © Philip Hauck