Hin und wieder wird der Wunsch laut, in den Zoo zu gehen. Wohl deshalb, weil die kleineren Kinder dem Gebrüll der Löwen und Tiger eigene akustische Lernerfolge entgegensetzen wollen, und die größeren gemütliche Rückzugsorte mit kostenlosem WLan und einem genugtuenden Blick auf Gitterstäbe außerhalb ihres eigenen vermeintlichen Gefängnisses zu schätzen wissen. Prima Gründe also, weshalb wir uns kurzerhand zu einem Besuch des Münchener Tierparks Hellabrunn entschlossen haben. Der ist schnell und leicht mit der U-Bahn zu erreichen, und als furchtbar enge Käfige auf Rollen liefern diese städtischen Züge einen adäquaten Vorgeschmack auf kommende tierische Befindlichkeiten.
Dass an diesem späten Vormittag eine beträchtliche Menschenmasse zu den Kassen am Haupteingang drängte, war mit schnell und leicht dann allerdings nicht in Einklang zu bringen. Wie schön, dass uns eine junge Dame den Weg zu einem Nebengang wies, der ebenfalls eine Kasse bereithielt, davor aber nicht eine einzige einlasswillige Person. Knapp 15 Minuten Fußweg haben sich also durchweg gelohnt. Und dass die ersten ins Blickfeld geratenen Tiere rosa Flamingos waren, fand ich ziemlich oho, weckte das doch Erinnerungen an die 80er-Jahre-Kultkrimisierie „Miami Vice“. Immer noch besser als solche an „Dallas“ oder „Denver Clan“, in denen es ja fast ausschließlich um maximalen Profit ging. Dass mich daran auch an der Nebenkasse fast nichts erinnerte, fand ich beruhigend. Gut, bis auf den Preis für die Familienkarte vielleicht…
Die gute Laune hielten wir dennoch aufrecht, und auch unsere Erwartungshaltung blieb davon unbeeindruckt. Auf das Abenteuer Zoo hatten sich einfach zu viele gefreut, als das unbedeutende Randereignisse wie klitzekleine Mehrausgaben die Oberhand gewinnen sollten. Außerdem wurde uns mit jedem weiteren bewältigten Meter auf dem Rundgang klar, dass jeder hier reingesteckte Cent beachtliche Ergebnisse zeitigte. Gleich zu Beginn das Dschungelhaus, in dem es so exotisch zuging, wie man es selbst einem Haushalt mit mehreren Kindern niemals nachsagen würde. Eines der eher kleinen Alligatoren war zum Beispiel in einer Art Dauerstarre. Ein Zustand also, der schlimmstenfalls dann bei mir eintritt, wenn meine Konzentration ganz Oskars Lieblingsbeschäftigungen gilt. Oder ich mich einfach anzupassen versuche, wenn Leopold, Jakob und Leander die Smartphone-Welt betreten, ohne die wirkliche im Hinterkopf zu behalten.
Vom Dschungel- zum Affenhaus waren es nur wenige Schritte. Aber was wir da zu sehen bekamen: Gesten, Grimassen und Handlungen, die unseren eigenen kaum nachstanden. Und ich meine ausdrücklich nicht unsere Familie im Besonderen, sondern das Menschengeschlecht ganz allgemein. Wie sich da ein Orang-Utan-Baby an die Füße seiner Mama geklammert hat, rührend. Und wie es sich dann von ihr an den Füßen durch den halben Ausstellungsraum hat ziehen lassen, putzig. Irgendwie musste ich dabei an Leander und seinen kürzlich erworbenen Führerschein mit 17 denken. Und konnte mir die Frage nicht verkneifen, welches Modell der begleiteten Fortbewegung nun das dauerhaft sichere ist.
Mit Affen verbindet uns demnach eine ganze Menge, bei Pinguinen bin ich mir da nicht so sicher. Zu tapsig-elegant, von fast schon skurriler Anmut watscheln sie da über gefrorenen Boden und setzen wiederholt an zu einem spontanen Sprung ins kalte Wasser. Der Unterhaltungswert über bestimmt eine Viertelstunde war enorm. Gleich nebenan war übrigens das Eisbärgehege, und den mochten wir schon auch. Wie etwa eine Stunde vorher den Braunbären, der da oberhalb eines Bächleins auf seinem wuchtigen Hintern saß und gemütlich vor sich hin verzehrte. Also die Verwechslungsgefahr mit einem Kuschelbären aus einem Kinderbett fand ich ja schon hoch, wusste aber natürlich, dass ein solch haariger Riese im Ernstfall gefährlich zulangen kann. Aber was heißt schon gefährlich? Schließlich bekommt man es zuhause ja auch nicht selten mit Heranwachsenden zu tun, die scheinbar harmlos dasitzen, um dann im nächsten Moment an der Verlängerung ihrer Trotzphase mit scharfkantigen pubertären Mitteln zu arbeiten.
Erst am frühen Abend ließ unsere Sehnsucht nach wilden Tieren spürbar nach. Nach einfach nur netten, knuddeligen aber auch. Nicht aber nach was richtig Gutem zu essen. Die Überlegung war aber nicht, einem falschen Zuneigungsgefühl wegen uns an Giraffensteaks oder einer Piranha-Platte zu laben. Nein, ein Bio-Imbiss sollte es sein, mit vegetarischen Alternativen, um Jakob sanft zu stimmen. Vielleicht sogar einen sichtlich ausgeglichenen, ja mächtig stoischen Zustand bei ihm zu erreichen, wie wir ihn zuletzt an einer riesigen Schildkröte bewundern konnten. Jede Wette, dass die Preisschilder nicht lesen kann…
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