Fasching ist vorüber, so die offizielle Einschätzung. Dabei genügt ein streifender Blick in die mittlerweile tonangebende Gaudi-Hochburg Washington vollauf, um noch immer überzeugte Narren am Werk zu sehen. Zwar hab` ich noch keinen von denen mit knallroter Clownsnase in die Kamera grinsen sehen. Wahrscheinlich aber hält sie ihr neu angeschafftes Riesensortiment an politischen Scherzartikeln bloß davon ab, sich konkret entscheiden zu wollen. Wie viel einfacher wäre es dagegen, einfach mal gar nichts zu sagen und zu tun. Oder zumindest bedeutend weniger. Hier bei uns nennt sich sowas Fastenzeit. Sie ist die Anschlussveranstaltung an Fasching und versucht sich in der sprichwörtlichen Leichtigkeit des Seins. Klar hat die Gegner, mächtige Gegner sogar. Und das längst nicht nur in New Washington, wie es neuerdings unlustig klingt und polternd kracht. Nein, auch bei uns, inmitten unserer Familie. Und dieser Gegner versteht definitiv keinen Spaß, wenn deswegen sein Essen auf dem Spiel steht. Oder er von der Größe eines Schweines ausgegangen ist, die zwar jedwede menschliche Vorstellungskraft übersteigt, ihr vermeintliches kulinarisches Produktversprechen aber dennoch nicht einzuhalten gedenkt. Jedenfalls nicht ganz…
Das sehr persönliche Mini-Drama nahm seinen Anfang wenige Tage nach Aschermittwoch, noch während der Schulferien. Für den Abend hatten wir einen Tisch reserviert, in einer nur wenige Kilometer von unserem Zuhause entfernten Gaststätte mit mehrfacher Auszeichnung, insbesondere, was die Essensqualität angeht. Die zeichnet sich für uns nicht zuletzt dadurch aus, dass Bio-Fleisch auf der Speisekarte steht. Und zumindest das Rindfleisch auf dieser Speisekarte kann für sich Bio-Qualität reklamieren, was Geschmack und Gewissen gleichermaßen bedient. Für Schweinefleisch gilt das leider nicht, was Leander, dem trotzig-entschlossenen Gegner aller möglichen Fastenzeit-Entbehrungen, dennoch nicht von der Bestellung eines Schnitzels abhielt. Ein gemischter Salat hätte laut Menübeschreibung auch dazu gehört, den aber befand er als offenbar zu nährstoffreich, ja gesund, um ihn bis zum Magen durchzuwinken. Womit mir dieser gegönnt sein sollte, was völlig in Ordnung ging, machen doch erst begrünte Verdauungswege das Gesundheitserlebnis komplett.
Im Gegensatz dazu schien Leanders einziges Sehnen einem Schnitzel zu gelten, groß wie eine Familienpizza. Schon einmal servierte man ihm an diesem Ort ein solcherart angerichtetes Prachtexemplar, was als Startschuss jener spezifischen Erwartungshaltung gelten darf. Minute um Minute verstrich, am Ende betrug die Wartezeit in etwa eine Viertelstunde. Was womöglich dazu beitrug, Leanders gedanklich bereits zu Ende frittiertes Schnitzel auf die Größe einer Firmenpizza anwachsen zu lassen. Zumindest deuteten gewisse Äußerungen auf diese etwaige Zielvorgabe hin, und ich wäre der letzte gewesen, der ihn davon hätte abbringen wollen. Ich war ja schon froh, dass überhaupt Dinge auf der Speisekarte stehen, nach denen Jugendliche sich auch ohne zu googeln die Finger lecken. Und niemand von denen auf die Idee kommt, das Gewicht von Fleisch in Instagram zu bemessen.
Der große Moment war gekommen. Das Schnitzel wurde an den Tisch gebracht, auf seinen Essplatz. Kurz verwundert war ich nur darüber, dass Leibwächter ausblieben, die ihm ob der etwaigen Größe hätten zur Seite gestellt werden müssen. Was sich aber als Fehlschluss herausstellte, gab immerhin die desillusionierende Richtung vor: Das Schnitzel beanspruchte nicht mehr als die Hälfte seines Tellers. „Oh, da muss es sich wohl um ein Kinderschnitzel handeln!“, so die erste, zutiefst erschrockene Reaktion Leanders. Hatte er doch noch eine sehr frische Erinnerung an die erste einschlägige Begegnung, die ihm vorzugaukeln suchte, das Verhältnis Teller zum Schnitzel betrüge in etwa 1:1000. Tief also saß sein Schock einer Tatsache wegen, die Schweine groß wie Planetenpizzen leider ausschloss. Jede Wette, beim nächsten Mal steht er selbst in der Küche. Aber nur mit dem Kopf durch die Decke…
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