Lesen zu lernen ist ein spannender Prozess und ein wichtiger Meilenstein im Leben deines Kindes.
Lesen wird dein Kind sein ganzes Leben lang begleiten: Vom Vorschulalter und den ersten vorgelesenen Geschichten am Abend über die Wissensvermittlung in der Schule, den E-Mails im Arbeitsalltag, dem Lesen einer Zutatenliste im Supermarkt bis hin zu dem Vorlesen einer Gute-Nacht-Geschichte für die eigenen Kinder.
Lesen bedeutet die Möglichkeit zu haben, am gesellschaftlichen-, politischen- und kulturellen Leben teilzunehmen, aber auch eine Eintrittskarte zu magischen Welten in den Geschichten aller Bücher.
Es lohnt sich also, dein Kind auf dem Weg zum Leseprofi zu unterstützen.
Manchmal leichter gesagt als getan, oder?
Wenn das Lesen schwer fällt
Nicht jedem Kind fällt das Lesen lernen leicht. Wenn sich das Lesen für euch zu einem schwierigen Thema entwickelt hat und dein Kind möglicherweise bereits frustriert und mit wenig Freude beim Lesen dabei ist, lohnt es sich, genauer hinzuschauen, ob eventuell eine Leseschwäche vorliegt.
Empfehlenswert ist zunächst ein Selbsttest, um eine erste Orientierung zu erhalten, eine vollwertige Diagnostik sollte angeschlossen werden.
Was ist eine Leseschwäche?
Eine Leseschwäche, auch als Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) oder Legasthenie bekannt, bezeichnet Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und Schreibens. Obwohl die Intelligenz der betroffenen Kinder nicht beeinträchtigt ist, wirkt sich die Leseschwäche oft negativ auf die schulische Leistung und das Selbstbewusstsein aus.
Welche Anzeichen gibt es?
- Langsames und stockendes Lesen (fehlende Leseflüssigkeit)
- Verwechseln/Vertauschen von Buchstaben und Wörtern
- Fehlerhaftes Lesen
- Buchstabenweises Erlesen, keine Synthese
- Schwierigkeiten beim Erkennen und Verarbeiten des Gelesenen
- Probleme beim Leseverständnis
- Vermeidungsverhalten, Frustration
- Kompensationsstrategien wie z.B. auswendig lernen
Mehr Infos zum Thema gibt es auch hier.
Der Weg zum Lesen
Um dein Kind beim Prozess des Lesenlernens zu unterstützen, könnt ihr bereits vor dem Schulstart gemeinsam die ersten Geräusche und Laute bewusst entdecken, später können auch die Buchstaben dazukommen.
Denkt bitte unbedingt daran, dass die Freude am Entdecken neuer Dinge im Vordergrund stehen soll! Schaffst du es, dein Kind für Laute, Buchstaben und am Ende für das Lesen zu begeistern, hast du die beste Grundlage geschaffen.
In den folgenden 5 Schritten erfährst du mehr darüber, wie der Prozess des Lesenlernens aufgebaut ist und wie du dein Kind dabei begleiten kannst:
1. Laute spielerisch entdecken
Der erste Schritt auf dem Weg zum Lesenlernen ist das Kennenlernen der Laute. Bevor ein Kind Buchstaben oder Wörter verstehen kann, muss es ein Gefühl für die Laute entwickeln, aus denen Sprache besteht.
So kannst du begleiten:
Um dein Kind darauf aufmerksam zu machen, könnt ihr zunächst Geräusche entdecken und vergleichen: wie singen die verschiedenen Vögel im Garten, welche Geräusche machen die Baufahrzeuge auf der Baustelle nebenan, wie klingt Papas Schnarchen, welche Töne könnt ihr imitieren?
Später könnt ihr euch dann auch Wörter anhören, vielleicht habt ihr sogar ein Lieblingswort, mit dem ihr beginnen wollt? Findet heraus, welche Laute ihr im Wort hört (zunächst unabhängig von der Rechtschreibung), welche Wörter gibt es noch, die mit dem gleichen Laut beginnen?
Zum Beispiel mit Hilfe von Musik und Gesang könnt ihr außerdem gemeinsam beobachten, welche Laute gesungen werden können (z.B. a, e, i,o u) und bei welchen das nicht klappt (z.B. p, t, k).
2. Buchstaben Schritt für Schritt lernen
Sobald dein Kind ein Gefühl für Laute entwickelt hat, geht es daran, diese Laute den entsprechenden Buchstaben zuzuordnen.
So kannst du begleiten:
Beginnt mit den Vokalen und lasst euch hierbei viel Zeit, zu viele Buchstaben können am Anfang verwirrend wirken. Entdeckt Buchstaben zu den gehörten Lauten gemeinsam auf möglichst vielen Wegen:
Erinnert euch der geschriebene Buchstabe an etwas, das H zum Beispiel an das Klettergerüst auf dem Spielplatz? Schreibt euch die Buchstaben gegenseitig mit dem Finger auf die Handfläche, auf den Rücken, mit einem Pinsel und Farbe auf Papier oder modelliert ihn aus Knete. Eurer Kreativität sind keine Grenzen gesetzt!
3. Silben lesen üben
Nachdem einige Buchstaben gelernt wurden, besteht der nächste Schritt darin, sie zu Silben zu verbinden. Das Üben von Silben ist ein effektiver Weg, um dein Kind an das Lesen heranzuführen.
So kannst du begleiten:
Beginnt mit einfachen Silben wie ma, la oder pa. Daraus könnt ihr später, wenn das Kind die Silben gut kennt, bereits einfache Wörter zusammensetzen wie Mama, Papa, Opa etc.
Nach den offenen Silben (ma, pa, la usw.) könnt ihr euch geschlossene Silben anschauen (ob, es, am etc.).
Hierbei kannst du mit deinem Kind bereits erste Silben und sogar Wörter lesen und gleichzeitig weiter die Buchstaben üben.
4. Wörter und Sätze lesen
Der Übergang vom Silbenlesen zum Erkennen ganzer Wörter ist oft eine Herausforderung für Kinder. In dieser Phase solltest du Geduld haben und den Lernprozess nicht überstürzen. Auch wenn dein Kind zu Beginn langsam und stockend liest, wird es durch regelmäßiges Üben immer sicherer.
So kannst du begleiten:
Eine gute Übung, um das Erkennen von Wörtern im Ganzen zu trainieren, ist das Blitzlesen. Dein Kind kann mit dieser Übung immer mehr Wörter schneller erkennen und zuverlässiger abrufen.
Dies hilft dann, die Wörter in den Kontext zu setzen. Dadurch wird das Leseverständnis gefördert und verhindert, dass das Lesen ein mechanischer Prozess wird.
Findet Lesespiele, die euch gefallen oder bastelt sie selbst! Dein Kind spielt gerne Memory? Wandelt es ab, so dass ein Paar nun nicht mehr aus zwei gleichen Bildern, sondern einem Bild und dem dazu passenden Wort besteht. Klappt auch mit Fotos von Mama, Papa, Opa, eurer Katze etc.
Oder: Schreibe einfache Wörter, die dein Kind schon lesen kann, auf Klebezettel. Als Thema könnte zum Beispiel Wohnung oder Essen und Trinken etc dienen. Zieht abwechselnd einen Zettel und klebt ihn an den passenden Ort (z.B. Sofa, Banane, Papa etc.). Funktioniert auch an verregneten Nachmittagen!
5. Leseverständnis und fließendes Lesen fördern
Am Ende des Lernprozesses steht die Automatisierung des Lesens. Wenn ein Kind flüssig liest, kann es sich stärker auf den Inhalt konzentrieren. Es ist jedoch wichtig, dass das Leseverständnis parallel zur Lesefähigkeit entwickelt wird.
So kannst du begleiten:
Findet Kinderbücher mit wenig Text und vielen Bildern, die euch gefallen und lest sie gemeinsam. Wie könnte man eine halbe Stunden Papa-Zeit besser gestalten als auf dem Sofa mit einem Buch?
Lest gemeinsam Rezepte und befolgt sie Schritt für Schritt: dein Kind kann hier auch zum Beispiel die Zutaten bei jedem Schritt vorlesen und ihr übernehmt gemeinsam die Handlungsanweisung.
Gib deinem Kind im Supermarkt seinen eigenen Einkaufszettel, was kann es schon lesen und alleine aus dem Regal holen?
Bonus-Tipps für Eltern:
- Freude am Lernen: Wenn uns etwas Spaß macht und uns interessiert, lernen wir am Besten. Das ist nicht einfach so dahergesagt, sondern wissenschaftlich belegt: https://fis.uni-osnabrueck.de/vivouos/display/wf11v18
Also: Unternimm mit deinem Kind beim Lesenlernen nur das, worauf dein Kind auch Lust hat!
- Geduld ist der Schlüssel: Jedes Kind lernt in seinem eigenen Tempo.
- Motivierende Umgebung: Schaffe eine positive und entspannte Lernatmosphäre. Lass dein Kind Bücher auswählen, die es interessieren, und lest gemeinsam.
- Hilfsmittel nutzen: Verwende Leselineale, um dein Kind beim Zeilen Lesen zu unterstützen, oder farbige Folien, um den Kontrast der Buchstaben zu erhöhen.
- Spielerisches Lernen: Macht das Lesenlernen zu einem Erlebnis. Spielt Wort- und Silbenspiele, die das Lernen fördern und dabei Spaß machen.
- Schule: Ist dein Kind bereits in der Schule unterwegs, wird dort natürlich das Lesen Schritt für Schritt gelernt und geübt. Hier vorzugreifen ist nicht zu empfehlen! Aber: Lass dein Kind zu Hause erzählen: Wie wurden die Buchstaben in der Schule besprochen? Wie klingen sie? An diesen Stellen könnt ihr dann zusammen zu Hause anknüpfen.
Fazit
Das Lesenlernen ist ein individueller Prozess, der Geduld, Unterstützung und kreative Ansätze erfordert.
Indem du diese fünf Schritte befolgst und dabei auf die Interessen und das Tempo deines Kindes achten, wird der Weg zum erfolgreichen Lesenlernen nicht nur effektiv, sondern auch ein schönes Erlebnis für beide Seiten.
Viel Spaß und Erfolg beim gemeinsamen Lesen!