Erziehung

Mediensucht-Alarm: Jedes 4. Kind in der Social-Media-Falle

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Die neueste DAK-Suchtstudie zeigt es schwarz auf weiß: Die Pandemie hat bei Kindern und Jugendlichen in Sachen Mediennutzung deutliche Spuren hinterlassen. Der Griff zu Instagram, TikTok & Co. ist für viele junge Menschen alltäglich. Doch nun zeigt sich, dass knapp ein Viertel der Minderjährigen in Deutschland soziale Medien riskant nutzt. Das entspricht hochgerechnet alarmierenden 1,3 Millionen Mädchen und Jungen mit Mediensucht, ein Anstieg auf das Dreifache im Vergleich zu 2019. Den meisten Grund zur Sorge liefern 360.000 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 10 und 17 Jahren, die Kriterien einer pathologischen Nutzung von Medien erfüllen. Diese Zahl ist sich in nur vier Jahren verdoppelt.

Diese Ergebnisse stammen aus einer weltweit einzigartigen Längsschnittuntersuchung, durchgeführt von der DAK-Gesundheit und dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), die digitale Mediennutzung in 1.200 Familien erforscht hat. Interessanterweise zeigt sich bei Gaming und Streaming bezüglich der Minderjährigen mit Suchtkriterien ein entgegengesetzter Trend: Die Nutzungszeiten nehmen ab.

Mediensucht und Social-Media-Nutzung

Die jüngste Umfrage zeigte einen Anstieg der 10- bis 17-jährigen Kinder mit einer deutlich zu hohen und riskanten Social-Media-Nutzung seit 2019 bis Ende 2023 von 8.2 auf 24.5 Prozent. Das entspricht gut 1,3 Millionen Minderjährige. Im gleichen Zeitraum hat sich die Anzahl der Mädchen und Jungen mit einer pathologischen Nutzung von 3.2 auf 6.1 Prozent fast verdoppelt. Mit pathologischer Nutzung ist die Unfähigkeit gemeint, die Nutzung allein zu kontrollieren, obwohl die Mediennutzung zu bedeutsamem Leiden und/oder gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Alltag führt.

„Wir brauchen mehr Aufklärung über Reiz und Risiken von Instagram oder TikTok sowie zusätzliche Präventionskampagnen und Hilfsangebote für Betroffene“

Andreas Storm (DAK-Vorstandschef)

Die Experten raten hier zu einer Förderungen der Medienkompetenz für Kinder, Jugendliche und auch die Eltern. Bestenfalls in enger Zusammenarbeit mit den Schulen. Im Kampf gegen die Mediensucht sollten Gesundheits-, Familien- und Bildungspolitik an einem Strang ziehen, um den negativen Trend zu stoppen.

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© Gorodenkoff (depositphotos.com)

Depressive Symptome und Ängste bei problematischer Nutzung

Auslöser der Sorge sind alarmierende Zahlen, denn laut der Mediensucht-Studie verbringen Kinder und Jugendliche an einem normalen Wochentag, der ja durch Schule und oft auch Sport schon recht gut gefüllt ist, trotzdem noch 150 Minuten in sozialen Netzwerken. Am Wochenende erhöht sich die durchschnittliche Mediennutzung auf 224 Minuten pro Tag. Das wirkt sich nicht zuletzt auf die psychische Gesundheit aus.

Kinder und Jugendliche mit einer problematischen Social-Media-Nutzung berichten häufiger von depressiven Symptomen, mehr Ängsten und einem höheren Stresslevel als unauffällige Nutzerinnen und Nutzer. Darüber hinaus zeigen sich Defizite beim Umgang mit Emotionen und beim Thema Achtsamkeit. Die Eltern der betroffenen Kinder und Jugendlichen sind unzufriedener mit der Kommunikation in den Familien und berichten von einer geringeren Funktionalität als die Vergleichsgruppe.

Mediensucht ist ein Teufelskreis

Laut Prof. Rainer Thomasius, Studienleiter und Ärztlicher Leiter am Deutschen Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) am UKE Hamburg, neigen insbesondere psychisch belastete Jugendliche vermehrt zu problematischem Nutzungsverhalten in den sozialen Medien. Und diese erhöhte Nutzung verstärkt due Probleme und Belastungen, daher ist das ein Teufelskreis. Schulische, persönliche und familiäre Ziele rücken in den Hintergrund und werden vernachlässigt. Das wirklich sich auf die alterstypische Entwicklung aus und kann einen Stillstand in der psychosozialen Reifung bedeuten.

Mediensucht von Kindern kann sich auf Psyche, Gesundheit und Entwicklung auswirken
© Gaelle Marcel (Unsplash)

Besondere Bedeutung der Eltern

Beim Umgang mit der Mediensucht der Kinder spielen die Eltern eine wichtige Rolle, denn auf der einen Seite sind viele Mütter und Väter in Sorge um die Mediennutzung der Kinder, sehen sich selbst auf der anderen Seite aber nicht als Vorbild. Dabei ist die Medienkompetenz der Eltern und ein vorgelebter, gesunder Mediengebrauch sehr wichtig als Orientierung für den Nachwuchs.

Etwas weniger Sorgen machen Gaming und Streaming, beim Zocken sind die Nutzungszeiten an Werktagen auf durchschnittlich 98 Minuten gesunken und auch die durchschnittliche Streaming-Dauer sank im September 2023 auf 98 Minuten pro Werktag. Im Mai 2021 waren das noch 170 Minuten beim Streaming.

Anlaufstellen und Möglichkeiten

Dr. Michael Hubmann, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzt*innen e.V. (BVKJ), sagt: „Ich verstehe es als unsere gesellschaftliche Verantwortung, Medienkompetenz zu fördern, präventive Programme zu implementieren und einen bewussten Umgang mit digitalen Medien zu fördern. Ein Mediensuchtscreening in der Kinder- und Jugendarztpraxis kann dabei unterstützen, eine riskante Nutzung von Computerspielen und Social Media frühzeitig zu erkennen.“

Die DAK-Gesundheit und die Mediensuchthilfe Hamburg bieten Unterstützung an, unter anderem zu Online-, Gaming- und Social-Media-Sucht durch die Online-Anlaufstelle Mediensucht und die Trainings-App „Res@t“. Diese Initiativen sind essenziell, um dem besorgniserregenden Trend entgegenzuwirken und betroffene Familien zu unterstützen. Für Eltern bedeutet das: Sie müssen wachsam sein und sowohl die eigene Mediennutzung als Vorbildfunktion hinterfragen als auch aktiv die Medienkompetenz der Kinder fördern. Es ist höchste Zeit, gemeinsam gegen die wachsende Mediensucht bei Kindern vorzugehen.

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