Gesundheit

Körperklaus und Bundesjugendspiele – Immer weniger Kinder können einen Purzelbaum

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Können eure Kinder einen Ball fangen und werfen? Schaffen sie einen Aufschwung an der Reckstange und kriegen sie ein Rad oder einen Purzelbaum auf die Matte? Schon in meiner Kindheit waren die Bundesjugendspiele in der Sporthalle die Höchststrafe, weil sie die Schulklasse in zwei Lager spaltet und vielen ihre Unfähigkeit danach in der nicht erreichten Siegerurkunde vor Augen geführt wird. Heute ist die Situation nicht besser, im Gegenteil. Denn motorische Entwicklungsdefizite sind weiter auf dem Vormarsch. Wir fassen die Situation zusammen und verraten euch, was ihr als Eltern tun könnt.

Manchmal ist es einfach fehlende Übung. Gerade die Kinder in der Grundschule oder auf den weiterführenden Schulen hatten durch den Lockdown lange Zeit keinen Sportunterricht. Und die Freizeiteinrichtungen waren auch lange geschlossen. Wer also noch nicht in einem Sportverein aktiv ist oder zuhause turnt oder tanzt, dem fehlt es an Übung. Daher ist eine Empfehlung, auch zuhause mit dem Ball zu spielen oder die Koordination durch anderen Aktivitäten zu trainieren.

Motorische Entwicklungsstoerungen 2011 auf 2021
© KKH

Es kann aber auch andere Gründe haben, wenn Kinder den Ball nicht fangen können oder einen Purzelbaum schaffen. Wenn die Bewegungen und die Abläufe unsicher, ungelenk und teilweise auch sehr tollpatschig aussehen, können auch motorische Entwicklungsstörungen dahinterstecken. Laut Daten der KKH Kaufmännische Krankenkasse sind immer mehr Kinder und Jugendliche davon betroffen. In den zehn Jahren von 2011 bis 2021 ststieg die Zahl der von motorischen Entwicklungsstörungen betroffenen Kinder in der Altersgruppe von 6 bis 18 Jahren um 43,5 Prozent.

„Haben Heranwachsende Schwierigkeiten, sich zu bewegen, kostet sie das nicht nur enorme Energie und Konzentration, sondern kann auch empfindlich an ihrem Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl nagen“

Vijitha Sanjivkumar, Kompetenzteam Medizin bei der KKH

„Kommen Hänseleien durch Gleichaltrige hinzu, kann das seelische Gleichgewicht in Schieflage geraten, zu Frustration und Isolation führen.“ 

Und auch wenn die Diagnose der „Motorischen Entwicklungsstörung“ im Jahr 2021 nur bei der Porzent der bei der KKH versicherten Kinder und Jugendlichen ausgestellt wurde, sollte dieses Krankheitsbild unter Beobachtung bleiben. Jungen sind mit 4,2 Prozent übrigens mehr als doppelt so häufig betroffen wie Mädchen mit 1,8 Prozent. Das die motorischen Defizite ernst zu nehmen sind, bestätigt die KKH-Expertin: „Sie können die Kindesentwicklung beeinflussen und mit Verhaltensauffälligkeiten einhergehen. Auch Übergewicht und andere Erkrankungen können die Folge sein.“

Motorische Probleme bei Kindern und Jugendlichen

Wenn es um Motorik geht, dann fallen und zuerst einmal die Probleme ein, die mit der Grobmotorik zu tun haben. Das sind also Fähigkeiten wie Laufen, Hüpfen, Balancieren und der Purzelbaum. Allerdings geht es häufig auch um Aspekte der Feinmotorik, also die Geschicklichkeit der Hände, das Essen mit Besteck, Schreiben oder Basteln. Echte und kristallklare Ursachen sind meist nicht ganz klar auszumachen. Die Ursachen für motorische Entwicklungsdefizite können organische und genetische Faktoren sein. Aber auch psychische oder auch psycho-soziale Faktoren können eine Rolle spielen. Im Einzelfall sollte auf jeden Fall etwas genauer hingeguckt werden. 

Sprtliche Aktivitäten fördern motorische Fähigkeiten. Und dann klappt auch der Purzelbaum
© Rachel (Unsplash)

„Nicht hinter jedem Stolpern oder Sturz mit dem Rad muss eine Entwicklungsstörung der Motorik stecken“, relativiert Vijitha Sanjivkumar. „Doch haben Eltern den Eindruck, ihr Kind lernt spät zu gehen, zu laufen oder Schuhe zu binden oder bewegt sich unbeholfen und ungeschickt, sollten sie ihren Kinderarzt oder ihre Kinderärztin um Rat fragen.“ Meist gehen motorische Entwicklungsstörungen mit verminderter Gelenkigkeit, Körperkoordination und Gleichgewichtskontrolle einher. Und nicht selten verfügen betroffene Kinder über weniger Kraft und Fitness. Es kann passieren, dass sich die eingeschränkte Motorik mit dem Älterwerden von allein erledigt. Sie kann aber auch bis ins Erwachsenenalter fortbestehen. Schränken motorische Probleme ein Kind langfristig erheblich ein, kann ärztlich verordnete, gezielte ergo-, physiotherapeutische und eventuell auch psychotherapeutische Behandlung helfen.

Was Eltern tun können

„Nutzen Sie daheim jede Gelegenheit und üben Sie mit Ihrem Kind Bewegungen, die ihm schwerfallen – mit Geduld und viel bestärkendem Lob“, rät die KKH-Expertin für Kindergesundheit. „Seien Sie Vorbild und ermuntern Sie Ihr Kind, sich so oft und so vielfältig wie möglich draußen wie drinnen zu bewegen. All das fördert nicht nur motorische Fähigkeiten wie beispielsweise die Koordination von Armen und Beinen, sondern mindert Versagensängste und stärkt das Selbstvertrauen.“ Und da sich viele Eltern auch einen tollen Sport für ihre Kinder wünsche, ist es ratsam, aufmerksam zu beobachten, welche sportlichen Aktivitäten den Kindern Spaß machen.

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© Kelly Sikkema (Unsplash)

Kinder sollten aber nicht durch Druck der Eltern überfordert werden. Dann können sie ihre Fähigkeiten durch regelmäßige Übungen, Training und Sport entwickeln. Entscheidend bei all dem ist, betroffenen Kindern etwas zuzutrauen, ihnen Mut zu machen und nachsichtig zu sein, wenn etwas nicht so gelingt. Schließlich ist jede Bewegung und jede Bewegungserfahrung besser als keine. Und dann klappt es auch mit dem Purzelbaum.

Titelbild © Lena Helfinger (Pexels)

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