Post aus Südafrika. Die richtig schlauen Daddies gestalten die Elternzeit so wie Tim, der mit seiner Frau und beiden Kindern für ein paar Monate nach Südafrika gedüst ist. Auf die Frage, ob wir Lust haben, seine Erlebnisse zu teilen, mussten wir nicht lange überlegen. Freut Euch auf den Erfahrungsbericht eines Vaters auf Afrika-Tour. Weitere werden folgen. Wir freuen uns darauf!
Elternzeit eingereicht, Ersparnisse geplündert: Eine neunwöchige Rundtour durch Südafrika mit zwei kleinen Jungs ist eine logistische Herausforderung. Dafür stellen sich die ersten unvergesslichen Momente aber schon nach den ersten Tagen ein.
Das Wasser ist saukalt, 17 Grad, höchstens. Aber Theo, mein dreieinhalbjähriger Sohn, beißt die Zähne zusammen. Er wollte unbedingt baden, jetzt gibt es kein zurück mehr. Bis zum Bauch steht er im Wasser, er greift noch einmal nach meiner Hand, guckt zu mir hoch und bittet mich in einem für ihn ungewöhnlich höflichen Ton, ob ich ihn nicht noch einmal, auch nur ganz kurz, auf den Arm nehmen könnte. Ich ignoriere seinen Wunsch, weil keine zwei Meter vor uns plötzlich ein schwarz-weißer Kopf mit einem kräftigen Schnabel aus dem Wasser schießt. Theo reißt sich von mir los, geht zwei Schritte weiter ins kalte Meer hinein und schreit mit überschlagender Stimme: „Papa, ein Pinguin, schau mal! Ich kann mit ihm schwimmen!“
Gut, dafür hat es nicht ganz reicht. Der Pinguin ist viel zu schnell und das Wasser auf Dauer dann doch einfach zu kalt. Aber allein für diesen kurzen Glücksmoment hat sich alles gelohnt.
Wir sind in Südafrika. Für neun Wochen. Sonja, meine Frau, und Theos kleiner Bruder, Benno, zehn Monate alt, sind natürlich auch dabei. Vor einem halben Jahr hatten wir die fixe Idee, zu Viert eine große Reise zu unternehmen. Es war damals klar, dass ich ab Mitte Oktober für drei Monate in Elternzeit gehen würde. Zeit hatten wir also. Um den Trip zu finanzieren, gingen wir an unsere Ersparnisse. Und warum ausgerechnet Südafrika? Herrliches Wetter (hier ist Frühling, bald beginnt der Südsommer!), keine Zeitumstellung, gute Versorgung mit allem, was man für kleine Kinder so braucht. Und: Die Eltern waren noch nie dort. Einzige Hürde, die uns zögern ließ: der Flug. 15 Stunden von Hamburg nach Kapstadt via London über Nacht.
Mir erschien die Vorstellung anfangs absurd, mit zwei kleinen Kindern um die halbe Welt zu fliegen, nur damit man als Familie durch Südafrika touren kann. Zwei Tage hielten sich meine Zweifel, bis Sonja mich vor vollendete Tatsachen stellte: „Flug ist gebucht!“ Danach suchten wir (also vor allem Sonja!) eine Tour zusammen und buchten auf der ganzen Strecke, die uns entlang der Garden Route bis nach Port St. Johns (200 km vor Durban) führen wird, Ferienwohnungen, Bungalows, kleine Ferienhäuser, Pensionen. Klar, in neun Wochen könnte man wesentlich mehr von Südafrika sehen. Aber wir wollen nicht nur Kilometer fressen und ständig im Mietauto sitzen.
Wir lassen uns Zeit und bleiben an einigen Orten zehn Tage. Außerdem: Die Regionen, die wir bereisen, sind absolut malariafrei. Für den Kruger Nationalpark, der sonst zu jeder Südafrika-Rundreise gehört, wird Malaria-Prophylaxe empfohlen. Das wollten wir uns und den Kinder ersparen.
Auch wenn Eltern gerade im Rückblick zu Schönfärberei neigen: Der Flug war tatsächlich ein Klacks. Die Kinder schliefen und gerade Benno ließ sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Während meiner letzten Arbeitstage triezte mich noch ein Kollege, selbst Vater von zwei Jungs: „Na, auf dem Flug nach Kapstadt wirst du mit deinen Kids sicher viele neue Freunde finden.“ Schon klar, sind ja auch kontaktfreudige und niedliche Kerle. Aber im Ernst: Nichts musste uns im Flugzeug unangenehm sein, weil es einfach keinen Grund gab. Puh, wahrscheinlich hatten wir einfach nur sehr viel Glück.
Am Flughafen von Kapstadt stand unser Leihwagen für die nächsten neun Wochen bereit: ein Minivan von Toyota, groß genug für uns vier und das Gepäck. Das wichtigste an dem Auto aber ist sein automatisches Schaltgetriebe, das wir auf Anraten einer Südafrika-Expertin vorab gebucht hatten. In Südafrika wird links gefahren. Die Umstellung ist an sich schon groß genug, nach einer Woche verwechsele ich noch immer regelmäßig Blinker und Scheibenwischer. Wenn ich jetzt auch noch mit links kuppeln müsste, wäre ich vermutlich fahruntauglich.
Unsere erste Station: die „African Family Farm“ im ziemlich noblen Kapstadt-Vorort Hout Bay. Sabine und Stefan Schreiner wanderten 2009 vom hessischen Bad Vilbel hierhin aus und schufen an einem seicht abfallenden Hang ein Kinder-Paradies mit vier komfortablen Holzhäusern, die sich um eine große Wiese mit kleinem Pool gruppieren. Alles ist auf die Bedürfnisse von kleinen Gästen ausgelegt. Pferde, Schweine, Hunde, Katzen, Kaninchen, Hühner und ein Pfau leben auf der „Farm“, ein Spielhaus mit Leseecke, Werkzeugbank, Kicker und etlichen Spielsachen ist ideal, wenn draußen die Sonne zu heftig knallt (oder wenn es mal regnet, was auch vorkommen soll), auf dem ganzen Gelände sind Trampoline, Schaukeln, Wippe, Klettergerüst und Sandkiste verstreut.
Sabine und Stefan, die selbst vier Töchter haben, können nicht genug von Kindern bekommen. Sie erklären ihnen alles seelenruhig, nehmen Theo sofort zum Füttern der Schweine mit und kaspern mit Benno rum. Einen besseren Start für unsere Rundreise hätte man sich nicht ausdenken können. Wenn wir hier bald abreisen müssen, werden Tränen fließen. Als Stefan am zweiten Tag mit einer ziemlich dicken Spinne (also schon so groß wie eine Faust!) ankam, die er mit Teller und Glas eingefangen hatte, um sie uns zu zeigen, hatte Theo endgültig seinen neuen Helden gefunden. „Papa“, sagte er zu mir, „du bist hier nicht mehr der Chef. Das ist Stefan.“
Wenn wir von der „African Family Farm“ aufbrechen, um die Gegend zu erkunden, bin ich aber nicht mehr komplett abgemeldet. Theo lobt mich dann immerhin fürs Fahren („Da bist du aber mit richtig Karacho langgeflitzt“) oder fürs Tragen beider Kinder, was zugegebenermaßen nur in Ausnahmefällen und auf sehr kurzen Strecken (max. 50 Meter) vorkommt, weil beide zusammen weit über 30 Kilo wiegen. Wenn Benno nicht bei Mama vorne auf dem Bauch geschnallt ist, trage ich ihn mit einer Kraxe auf dem Rücken durch die Gegend, in der vor gut zwei Jahren schon Theo bei einem Wanderurlaub hin und her schaukelte. An Wanderungen ist hier allerdings nicht mehr zu denken, auch wenn die Landschaft dafür perfekt wäre. Theo, so gerne er sich bewegt und aktiv ist, wäre das auf Dauer natürlich zu langweilig.
Wir können also nur „Spaziergänge“ unternehmen. Und die müssen im Idealfall mit einem echten Highlight garniert sein, damit die Nörgelei zwischendurch nicht zu nervtötend wird. Wie vorgestern, als wir durch die sagenhaften botanischen Gärten von Kirstenbosch im sanften Nachmittagslicht schlenderten. Theo hielt ganz gut durch, weil wir ihn mit einem Weg über den Baumwipfeln locken konnten. Diese gewundene Holzbrücke beginnt ebenerdig in einem kleinen Wäldchen und schwingt sich dann über die Baumkronen des Parks empor. „Wir laufen ja über den Bäumen“, staunte Theo – und all die Anstrengungen waren sofort vergessen. Später ging es noch durch einen verwunschenen Märchenwald, in dem er Piraten und Hexen vermutete.
Heute sind Pinguine das Lockmittel. Wir sind zum Boulder´s Beach beim Städtchen Simon´s Town gefahren. Dort gibt es eine seltene Brillenpinguin-Kolonie, die am abgesperrten Strand zwischen glatten Granitblöcken, Auswaschungen und kleinen Höhlen lebt. Auf erhöhten Holzstegen nährt man sich den Tieren langsam an. Leider zieht die Aussicht, sich Pinguine in freier Wildbahn anzugucken, nicht so richtig. Theo hat schlechte Laune, will immer auf den Arm. Als wir noch zu einem zweiten Aussichtspunkt „wandern“ wollen, streikt er komplett. „Nicht schon wieder Pinguine, ist doch langweilig. Ich will baden“, mault er.
Am liebsten würde ich ihn packen und ihm klar machen, was er eigentlich für ein Glück hat, so etwas erleben zu können. Ich war knapp 30 Jahre alt, als ich erstmals Pinguine in freier Natur sah. Er ist drei. Ich schlucke meinen Anflug von Wut runter und versuche es auf die diplomatische Tour. „Schau doch mal, wie süß die sind!“, „Hast du den unter der Treppe gesehen?“ – viel bringt mein Gesäusel nicht. Sonja drückt ihm schließlich ein Brötchen in die Hand, dann herrscht zumindest Ruhe. Wir machen noch einen Abstecher zur angrenzenden Bucht. Dort darf man baden. Mit etwas Glück, hatten wir gehört, sogar mit Pinguinen. Theo hat Glück. Und er weiß es dann doch zu schätzen. „Bye, bye, Pinguine“, ruft er, als wir uns am frühen Abend auf den Rückweg machen.
Über den „Chapman`s Peak Drive“ fahren wir zurück nach Hout Bay. Glaubt man den Reiseführern, soll es eine der spektakulärsten Küstenstraßen der Welt sein. Superlativen misstraue ich grundsätzlich. Aber der „Chappy“, wie die Straße hier genannt wird, ist tatsächlich viel zu schön, um auf ihr nur von A nach B zu kommen. Die tief stehende Sonne hüllt die Szenerie in ein liebliches Licht, die Aussichten sind gewaltig. „Papa, pass auf, dass du nicht ins Meer fährst!“, ruft Theo von hinten. Einige Kurven sind so spitz, dass man nur noch türkisfarbenes Wasser vor sich sieht. Hinter einem Felsvorsprung kommt schließlich die gesamte Buch von Hout Bay zum Vorschein. Wolken ziehen dramatisch über den Himmel, werfen ihre Schatten auf das sich kräuselnde Wasser, brechen das Sonnenlicht. Wir parken am Straßenrand, schauen gebannt auf dieses Naturschauspiel.
„Das war ein anstrengender Tag“, sagt Theo, als wir nach Hause rollen. „Aber schön.“
Hier sind alle 5 Teile der Story „Südafrika zu Viert„.
Text & Fotos: Tim Böseler