Immer mehr Familien verbringen ihren Urlaub in der Jugendherberge. Unsere Gastautorin Anna Schütz wollte wissen, warum das so ist…
„Eine Jugendherberge ist auch nicht mehr das, was sie mal war“, sage ich lachend zu meinem Mann. Schon bei der Ankunft in der Jugendherberge Neuharlingersiel am Freitagabend freuen wir uns über die bezogenen Betten in unseren Zimmern und über das reichhaltige Buffet. Die Kinder stehen an der Litfasssäule neben der Rezeption und diskutieren über das Programm für das Wochenende, und ich checke sofort die Aufgusszeiten in der Sauna.
Und das Beste: In dem Resort, wie sich die ehemalige Reha-Klinik jetzt nennt, ist alles inklusive. Nicht nur der Wellnessbereich, das Programm und die Kinderbetreuung, die geräumigen Zimmer mit Fernseher und der Blick auf den Deich: Wir bekommen Vollpension samt Softdrinks, und das dreckige Geschirr wird von freundlichen Mitarbeitern abgeräumt. Kurz nach dem Check-In weiß ich: Das wird super!!
Von wegen trockenes Graubrot
Überhaupt ist hier alles sehr viel cooler und komfortabler, als ich es von früher in Erinnerung habe. Seit Jahren arbeiten die 14 Landesverbände und der Dachverband des gemeinnützigen Vereins nämlich daran, mit der Qualität auch das Image zu verbessern. Sie wollen moderne Gruppenunterkünfte mit zeitgemäßem Standard sein und gleichzeitig der über 100 Jahre alten Idee der friedvollen Begegnung junger Menschen aus aller Welt gerecht werden. Wohlfühlambiente und gutes Essen, schöne Gemeinschaftserlebnisse und nachhaltige Bildung sind nur einige der neuen Erwartungen an die über 500 Häuser in Deutschland.
Und so stehen anstelle der trockenen Graubrotscheiben von früher frische Brötchen auf dem Tisch, und auch die zerbeulten Blechkannen mit dem dünnen, rosafarbenen Hagebuttentee sind verschwunden – ersetzt von einer Getränkestation, die keine Kinderwünsche offen lässt. Wer bei einer Jugendherberge noch an Stockbetten und Spüldienste denkt, hat sicher die neu eröffneten Herbergen in Berlin Ostkreuz, Bayreuth und Waldbröl noch nicht gesehen, um nur einige der Leuchtturmprojekte des Vereins zu nennen.
Von Baumhäusern, Burgen und Bauernhöfen
Denn ob Nord- oder Ostsee, Heide, Harz oder Hunsrück, Städtetrip oder Baumhausabenteuer, Burgambiente oder alte Mühle – viele von Deutschlands Jugendherbergen, die oft in spektakulären Gebäuden untergebracht sind, sind echte Hingucker. Viele Häuser bieten außerdem Natur pur und außergewöhnliche Aktivitäten draußen: Im Wald eröffnet ein Survivalcamp, Bauernhöfe laden zum Mitmachen ein, im Erlebnismuseum kann man eigenhändig Wolle spinnen, oder man geht mit einem Vogelkundler auf Expedition.
Wer sich mehr dafür interessiert, was Artisten tun oder wie das Leben im Mittelalter aussah, kann im Zirkus auftreten, Burgfräulein oder Ritter in authentischer Burgatmosphäre spielen. Bei den zahlreichen Sportprogrammen kommt es nicht allein auf Leistung an; erfahrene Trainer zeigen viel mehr, wie viel Spaß Bewegung macht und wie man seine Kräfte richtig einteilt. Je nach Schwerpunkt werden oft besondere Pakete geschnürt, deren Inhalte von Kanufahren und Klettern, über Sprach- und Segelkurse bis zu Natur- und Umweltbildung gehen.
„Für Familien besonders geeignet“
Längst schlafen hier nicht mehr nur Schulklassen. Vor allem in den Ferienmonaten machen Jugendherbergen vor allem Familien tolle Angebote. Viele Häuser sind mit dem Prädikat „Für Familien besonders geeignet“ ausgezeichnet und bieten neben Familienzimmern und Ähnlichem, Verpflegung und entsprechende Programme für die verschiedenen Generationen. Das spiegelt sich auch in den Übernachtungszahlen wieder: Von den 10 Millionen Übernachtungen pro Jahr, die das Deutsche Jugendherbergswerk für seine 2,4 Millionen Mitglieder zählt, geht gut ein Fünftel auf das Konto von Familien.
Durch Rügen mit dem Rasenden Roland
Auch auf Rügen gibt es drei Häuser, die für Eltern mit Kids bestens geeignet sind. Schon lange wollen wir Deutschlands größter Insel einen Besuch abstatten und mit dem rasenden Roland, der alten Schmalspur-Dampflok, von Putbus nach Binz zuckeln. Aus architektonischen und kulturhistorischen Gründen hatte uns eigentlich die Jugendherberge in der 4,5 km langen ehemaligen „Kraft durch Freude“-Anlage in Prora gereizt, die als „Koloss von Rügen“ in die Geschichte eingegangen ist, oder die Jugendherberge im berühmten Seebad Binz, die direkt am Strand im historischen, denkmalgeschützten Teil des Ortes in einer alten Villa liegt.
Wir aber entscheiden uns für Sellin, weil dort sogar unser Hund willkommen ist (wie an 25 anderen Standorten übrigens auch), und weil wir dort mit einer Tauchgondel an der Seebrücke einen Tauchgang zum Meeresboden der Ostsee unternehmen wollen.
Herzlich willkommen!
Auch hier konnte man bei der Buchung das Premium-Paket ankreuzen, so dass Handtücher bereit liegen und die Betten bei Ankunft schon bezogen sind. Wer selber Hand anlegt, spart 8,50 € pro Person. Im Speisesaal fühlen wir uns sofort wohl. Ein Fußballverein besetzt zwei lange Tafeln, ansonsten sind an diesem Wochenende vor allem Familien mit mindestens drei Kindern hier. Sollten unsere vier sich lauthals streiten, unruhig auf ihren Stühlen hin- und herrutschen oder ein Glas umschmeißen (was überraschenderweise alles nicht geschieht), würde uns keiner schief angucken. Ein gutes Gefühl. Und auch an den anderen Tischen herrscht kein Chaos. Offensichtlich entspannt alle allein der Gedanke, dass Jugendherbergen genau uns als Gäste wollen.
Tipps und Infos
Clubjugendherberge Neuharlingersiel unter: www.djh-resort.de
Jugendherbergen auf Rügen unter: www.jugendherbergen-mv.de
Alle Jugendherbergen auf einen Blick unter: www.jugendherbergen.de
Fahrpläne, Tarife und mehr zum Rasenden Roland unter: www.ruegensche-baederbahn.de
Alles zur Tauchgondel in Sellin unter: tauchgondel.de