„Ich wünsche mir schon so lange – Eine silberne Zahnspange“. So singt es Radau!, eine unserer liebsten Kinderbands, im gleichnamigen Song. Und ich selbst erinnere mich noch an meine Jugend, in der die rote Klammerdose wie ein Statussymbol um den Hals getragen wurde. Bis die Kinder dann merken, dass es auch mit Schmerzen, erhöhtem Speichelfluss und intensiver Reinigung zu tun hat. Aber das Ergebnis zählt. Wie steht es denn eigentlich mit der Notwendigkeit einer Zahnspange? Wie viele Kinder benötigen eine Korrektur und was sind die Gründe? Wir gehen der Sache nach.
Mehr als die Hälfte aller Kinder bekommen irgendwann eine Zahnspange. Deren medizinische Notwendigkeit ist ein vieldiskutiertes und umstrittenes Thema. Zumindest das Aussehen des Gebisses lässt sich jedoch durch das Tragen einer Schiene oder Klammer oft verbessern. Darüber hinaus sind strahlende Gebisse außerdem ein Hip-Hop-Trend, diverse Musikgrößen präsentieren mit einem breiten Lächeln ihren „Grill“. Aber das ist ein anderes Kapitel.
Wann brauchen Kinder eine Zahnspange?
Bei vielen Eltern hält sich das Gerücht, dass der Gang zum Kieferorthopäden für Kinder erst dann Sinn macht, wenn das Gebiss mit den bleibenden Zähnen komplett ist. Das ist meist zu Beginn der Pubertät der Fall. Allerdings ist es dann häufig schon recht spät für eine Korrektur. Die „Sechste Deutsche Mundgesundheitsstudie“ vom Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) kommt zu diesem Ergebnis:
Etwa 40 Prozent der acht- und neunjährigen Kinder in Deutschland weisen einen kieferorthopädischen Behandlungsbedarf auf, der nach den Richtlinien der vertragszahnärztlichen Versorgung therapiert werden sollte.
Sechste Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS 6)
Kieferorthopädischen Indikationsgruppen
Um sich ein umfassenden Bild von dem Zustand der Gebisse unserer Kinder zu verschaffen, wurden für die Studie zwischen Januar und März 2021 an 16 verschiedenen Orten in Deutschland mehr als 700 Kinder im Alter von acht und neun Jahren wissenschaftlich untersucht. Zu besseren Beurteilung wurden die Ergebnisse gemäß der Richtlinien der Kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG) kategorisiert:
- Schweregrad 1 (KIG 1): leichte Zahnfehlstellungen, die aus ästhetischen Gründen behandelt werden sollten
- Schweregrad 2 (KIG 2): alle Zahnfehlstellungen mit geringer Ausprägung, daher auch überwiegend ästhetische Korrektur
- Schweregrad 3 (KIG 3): stärker ausgeprägte Zahnfehlstellungen, die aus medizinischen Gründen eine Behandlung erforderlich machen
- Schweregrad 4 (KIG 4): stark ausgeprägte Zahnfehlstellungen, die aus medizinischen Gründen dringend eine Behandlung erforderlich machen
- Schweregrad 5 (KIG 5): die am stärksten ausgeprägten Zahnfehlstellungen, die aus medizinischen Gründen unbedingt eine Behandlung erforderlich machen
Üblicherweise übernehmen gesetzliche Krankenkassen nur die Behandlungen der Schweregrade 3 bis 5. Zahnzusatzversicherungen übernehmen oft die entstehenden Kosten in allen fünf Klassen. Erkundigt euch bei Bedarf unbedingt vorab bei eurer Krankenkasse oder Krankenversicherung. Denn die Gruppe KIG 2 ist am stärksten ausgeprägt. Aber genau hier ist es Ermessenssache und unterliegt der Beurteilung durch die Kasse. Und das ist kein Pappenstiel, eine Zahnspange kostet je nach Bauart schnell ein paar Tausend Euro.
Wir empfehlen den ersten Check beim Kieferorthopäden schon nach den Milchzähnen in der Übergangsphase von der KiTa zur Grundschule und den zweiten dann mit acht oder neun Jahren. Dann habt ihr eine erste Einschätzung, ob überhaupt Handlungsbedarf besteht und welche Maßnahmen die Expert:innen empfehlen.
Details zur Zahn-Studie
Bei etwa 40 Prozent sind die Fehlstellungen so ausgeprägt, dass die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) die Kosten für die benötigte, übliche Korrektur übernimmt. Gut 10 Prozent der Kinder im Altern von acht und neun Jahren leiden unter ausgeprägten Zahnfehlstellungen (KIG 3), über 25 Prozent unter starken (KIG 4) und 5 Prozent sogar unter extrem starken Kieferproblemen. Die DEVK hat die Ergebnisse der Studie etwas intensiver untersucht.
Kieferprobleme wirken sich auf die Gesundheit aus
Schiefe Zähne und ein schlechtes Gebiss kann in der Schule ein Anlass für Hänseleien sein. Und wenn sich Kinder für ihre Beißerchen schämen und sich daher das Lächeln verkneifen, dann ist allein das schon schlimm genug. Durch Fehlstellungen der Zähne kann es jedoch auch zu gesundheitlichen Folgen kommen.
„Es wurde festgestellt, dass Kinder mit Zahn- und Kieferfehlstellungen mehr funktionelle Einschränkungen bei der Lebensqualität aufweisen, weil sie mehr Schwierigkeiten beim Kauen haben. Außerdem haben sie öfter Schmerzen im Mund.“
Konstantin von Laffert, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer
Wenn also nichts gegen die Zahnfehlstellungen unternommen wird, dann kann das im schlimmsten Fall zu Kopf- und Nackenschmerzen, Schwindel oder Zahnentzündungen führen. Um das zu Vermeiden, solltet ihr rechtzeitig zum Doc.
Welche Zahnspange ist die richtige Lösung für Kinder?
Wenn die Diagnose steht und der Arzt eurem Kind eine Zahnspange empfiehlt, dann gibt es verschiedene Varianten. Und diese verschiedenen Lösungen lassen sich zuerst einmal in zwei Gruppen einteilen: festsitzenden und lose Zahnspangen. Der Unterschied ist wahrscheinlich klar, feste Spangen so eingebaut, dass sie im Behandlungszeitraum nicht entfernt werden können. Hingegen kann das Kind eine lose Spange jederzeit selbst entfernen. Hier eine Übersicht der verfügbaren Varianten.
Festsitzende Zahnspangen
Bei den fixierten Spangen gibt es eine Unterteilung je nach Art der Befestigung.
Außenliegende feste Zahnspangen
Eine festsitzende Zahnspange besteht aus den Brackets als Halterung für einen Drahtbogen, der für die Korrektur der Zähne sorgt. Die Brackets werden auf den Zähnen verklebt und der Draht wird vom Zahnarzt oder Kieferorthopäden gespannt. Hier ist ein regelmäßiger Besuch zur Kontrolle und zum Nachspannen erforderlich.
Innenliegende feste Zahnspangen
Bei dieser Variante wird die gleiche Technik verwendet. Allerdings werden die Brackets und der Drahtbogen auf der Innenseite der Zähne angebracht. Somit ist die Zahnspange nicht sofort sichtbar, daher wird diese Lösung von vielen Erwachsenen favorisiert. Allerdings ist die Reinigung etwas schwieriger. Und der Kontakt zur Zunge ist intensiver.
Lose Spangen
Auch bei den Zahnspangen, die sich herausnehmen lassen, gibt es unterschiedliche Lösungen. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass Kindern das Sprechen mit einer losen Zahnspange etwas schwerer fällt als mit einer festen Variante. Dafür ist die Zahnhygiene etwas einfacher.
Aligner
Bei dieser Technik trägt der Patient eine durchsichtige Kunststoffschiene, die fast den ganzen Tag und während der Nacht getragen werden soll. Zum Zähne putzen oder essen kann sie entfernt werden. Sie gehören zum Invisalign-System der Zahnkorrektur. Alle paar Wochen bekommt der Träger oder die Trägerin eine neue Schiene. So werden die Zähne über einen längeren Zeitraum in eine neue Form gebracht. Durch verbesserte Technik sind die Aligner mittlerweile auch für Kinder in der Erprobung. Allerdings dauert die Behandlung meist länger, daher übernehmen nicht alle gesetzlichen Kassen diese Behandlungsart.
Aktive Platten
Aktive Platten werden individuell angefertigt. Das Wort „aktiv“ deutet darauf hin, dass diese Zahnspange Kräfte auf die Zähne ausübt, um sie in eine neue Form zu bringen. Aktive Platten können herausgenommen werden. Es gibt sie für den Einsatz am Oberkiefer und auch Unterkiefer. Sie besteht aus einem Mittelstück aus Kunststoff, an welchem Metallklammern angebracht sind. Die Zahnspange wird an den Gaumen gelegt, die Klammern legen sich um die Zähne. Diese Zahnspangen können ganz einfach herausgenommen werden und müssen hin und wieder neu eingestellt werden.
Funktionskieferorthopädische Apparaturen
Zu den losen Spangen gehören auch funktionskieferorthopädische Geräte, kurz FKO-Geräte. Diese wirken ganzheitlich und werden daher gern für Kinder und Jugendliche verwendet. Denn so können noch in der Wachsstumsphase Korrekturen vorgenommen werden. Diese Spangen liegen locker im Mund und bringen gerade Ober- und Unterkiefer gemeinsam ins richtige Verhältnis.
Die Zahnspange ist ein wirklich umfangreiches Thema. Auf der anderen Seite sind gute Zähne und ein kräftiges Gebiss ein ganz wesentlicher Punkt unseres täglichen Lebens und des Wohlfühlens. Daher macht es Sinn, bereits in der Kindheit den richtigen Weg einzuschlagen. Und daher empfehlen wir euch, rechtzeitig bei einem Kieferorthopäden oder einer Kieferorthopädin mit eurem Kind vorstellig zu werden und abzuklären, ob es Handlungsbedarf gibt.
Titelbild © Gabriella Ally (Pexels)