Ein Beitrag von Jennifer Floris
Wenn ich in Gesprächen mit Eltern auf das Thema Schulerfolg zu sprechen komme, dreht sich vieles um Noten, Förderunterricht und die besten Schulformen. Natürlich ist Bildung wichtig – aber was in der ganzen Leistungsorientierung oft verloren geht, ist das, was Kinder wirklich fürs Leben stark macht: ihre emotionale Intelligenz.
Emotionale Intelligenz, oder kurz EQ, bedeutet, eigene Gefühle wahrzunehmen, mit ihnen umzugehen und gleichzeitig empathisch mit anderen zu sein. Kinder, die lernen, wie sie sich selbst beruhigen können, wie sie sich in andere hineinversetzen und konstruktiv mit Frust umgehen, sind langfristig besser gerüstet – für Beziehungen, für den Beruf, fürs Leben.
Eine Langzeitstudie der Harvard University zeigt, dass Kinder mit hohen sozialen und emotionalen Kompetenzen im späteren Leben erfolgreicher sind – nicht nur beruflich, sondern auch privat. Arbeitgeber wünschen sich Teamfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein und emotionale Reife – alles Fähigkeiten, die man auf keinem Zeugnis findet, aber die den Unterschied machen.
Väter als Schlüsselpersonen
In meiner Arbeit erlebe ich immer wieder: Wenn Väter sich emotional öffnen, verändert sich die Familiendynamik grundlegend. Kinder lernen durch Vorbilder – und Väter, die ruhig bleiben, wenn es laut wird, die erklären, statt zu drohen, und die offen über eigene Gefühle sprechen, geben ihren Kindern ein riesiges emotionales Werkzeug an die Hand.

Es geht nicht darum, perfekt zu sein. Es geht darum, präsent zu sein. Kinder müssen erleben dürfen, dass auch Papa mal traurig ist – und sehen, wie man mit so einem Gefühl umgeht. Das macht echte Stärke aus. Dabei ist es ganz natürlich, dass sich Väter auch manchmal überfordert fühlen – gerade wenn sie selbst nicht gelernt haben, über Gefühle zu sprechen. Doch genau hier liegt eine große Chance: Wenn Männer es wagen, neue Wege zu gehen, entsteht eine echte Beziehung auf Augenhöhe.
Man muss kein Psychologe sein, um emotionale Intelligenz zu fördern. Im Alltag helfen schon kleine Fragen wie: „Wie fühlst du dich gerade?“ oder „Was hättest du dir in dieser Situation gewünscht?“ Auch echtes Zuhören – ohne gleich eine Lösung zu liefern – ist ein Zeichen von emotionaler Präsenz. Und Kinder spüren das. Gerade in Konflikten oder schwierigen Phasen brauchen Kinder keine perfekten Eltern – sondern verlässliche, authentische Erwachsene, die nicht alles wissen, aber bereit sind, gemeinsam zu wachsen.
Ein paar praktische Impulse, die sich leicht umsetzen lassen:
- Nach einem Streit fragen: „Was war gerade los bei dir? Und was hättest du gebraucht?“
- Gefühle in Worte fassen helfen: „Ich merke, du bist wütend – magst du erzählen, warum?“
- Bücher oder Filme nutzen, um über Gefühle ins Gespräch zu kommen.
- Konflikte nicht bewerten, sondern begleiten und gemeinsam Lösungen finden.
- Eigene Fehler zugeben und erklären: „Ich war zu streng, weil ich selbst gestresst war. Das tut mir leid.“
Was wir wirklich brauchen
Unser Bildungssystem ist stark auf Leistung und Vergleich ausgerichtet. Das führt dazu, dass Kinder lernen, Fehler zu vermeiden – statt daran zu wachsen. Emotionale Intelligenz bleibt oft auf der Strecke, obwohl sie die Grundlage für gesunde Entwicklung ist. Ich wünsche mir, dass wir als Gesellschaft den Mut haben, umzudenken.
Statt nur über Noten zu sprechen, könnten wir als Eltern öfter fragen: Wie fühlst du dich in der Schule? Wann hast du dich heute mutig gefühlt? Oder: Worauf bist du stolz? Auch Lehrkräfte und Pädagoginnen können durch kleine Impulse viel bewirken. Schon ein ehrliches Lob, ein aufmerksames Zuhören oder die Ermutigung, über Gefühle zu sprechen, machen einen riesigen Unterschied.

Ich bin überzeugt: Kinder brauchen Erwachsene, die selbst bereit sind, sich zu reflektieren. Die sich fragen, wie sie mit Stress umgehen, wie sie Konflikte lösen und wie viel Raum sie Gefühlen im Alltag geben. Denn Kinder lernen nicht durch Worte – sie lernen durch das, was sie sehen, hören und spüren.
Fazit: Eine Investition fürs Leben
Wenn wir unseren Kindern beibringen, wie man mit eigenen Gefühlen umgeht, wie man auf andere achtet und wie man Konflikte löst, dann geben wir ihnen etwas viel Wertvolleres mit als jede Eins auf dem Zeugnis: innere Stärke. Und das, so bin ich überzeugt, ist die beste Vorbereitung auf ein erfülltes Leben – ganz egal, welchen Weg sie später gehen.
Lasst uns gemeinsam den Fokus erweitern: Weg vom ständigen Optimieren und Vergleichen – hin zu mehr Beziehung, Empathie und echtem Miteinander. Denn am Ende zählt nicht, wie perfekt ein Kind funktioniert, sondern wie mutig, mitfühlend und verbunden es durchs Leben geht.
Über Jennifer Floris

Jennifer Floris ist Expertin für pädagogisch-psychologisches Mentoring und Gründerin der Praxis Floris sowie des Floris Instituts. Seit fast zwei Jahrzehnten arbeitet sie als Dozentin für Psychologie und Pädagogik, ist Heilpraktikerin für Psychotherapie und verfügt über Zusatzausbildungen in Kunsttherapie, Traumatherapie und Hypnose. Mit ihrem innovativen Mentoring-Ansatz unterstützt sie Fachkräfte, Eltern und Betroffene bei Themen wie ADHS, Mobbing, Autismus und Digital Detox.
Die Praxis Floris bietet deutschlandweit Seminare und Schulungen für Fachkräfte und Quereinsteiger, während das Institut durch digitale Innovationen, wie die kommende App und den Podcast „Brückenbauer“, neue Maßstäbe setzt. Ihr Fokus liegt auf praktischen, inklusiven Lösungen und der Förderung eines bewussten Umgangs mit Kindern und Jugendlichen.