Ein plötzlicher Fieberkrampf, ein verschluckter Baustein, ein Sturz vom Hochbett – Notfälle mit kleinen Kindern passieren schneller, als man denkt. Doch viel zu viele Eltern fühlen sich in solchen Situationen hilflos. Eine neue Umfrage rund um die Erste Hilfe in Familien zeigt: Nur ein Bruchteil der Eltern in Deutschland ist wirklich vorbereitet. Dabei kann Erste Hilfe im Ernstfall Leben retten, gerade bei Babys und Kleinkindern.
Große Angst, wenig Wissen: Eltern fühlen sich überfordert
Laut der aktuellen Studie von Doctolib und dem DRK Elterncampus unter rund 1.000 Eltern von Kindern im Alter von 0 bis 12 Jahren, fühlen sich nur elf Prozent der Eltern sehr gut auf medizinische Notfälle vorbereitet. Über 30 Prozent gaben an, sich eher oder sehr schlecht vorbereitet zu fühlen. Und das, obwohl viele bereits Notfallsituationen erlebt haben:
- 35 Prozent haben schon einmal den Notruf oder den kinderärztlichen Bereitschaftsdienst angerufen.
- Fast 40 Prozent mussten mit ihrem Kind bereits in die Notaufnahme.
Besonders beunruhigend: 74 Prozent der Befragten haben noch nie einen Erste-Hilfe-Kurs für Kinder besucht. Gerade einmal 22 Prozent haben innerhalb der letzten drei Jahre einen solchen Kurs gemacht. Dabei wissen wir: Im Ernstfall kommt es auf Sekunden an. Und darauf, ob du als Elternteil weißt, was zu tun ist und die wichtigsten Handgriffe beherrscht.

Der größte Albtraum: Wenn ein Kind keine Luft mehr bekommt
Die größte Sorge der Eltern ist eindeutig: Erstickungsgefahr. Ganze 76 Prozent der Eltern nannten dies als den schlimmsten denkbaren Notfall. Und das ist nicht unbegründet: Laut Zahlen der Bundesarbeitsgemeinschaft Mehr Sicherheit für Kinder (BAG) zählen Verschlucken und Ersticken zu den häufigsten Unfallursachen bei Kindern unter fünf Jahren. Jährlich sterben in Deutschland im Schnitt etwa 20 bis 30 Kinder an Erstickung, häufig durch Essen oder Spielzeug.
Noch alarmierender: Nur 15 Prozent der Eltern fühlen sich sicher, wenn es um Erste Hilfe bei Erstickung geht. Bei der Wiederbelebung sind es sogar nur acht Prozent. Dabei sind genau diese Minuten entscheidend. Jede Sekunde ohne Sauerstoff erhöht das Risiko für bleibende Hirnschäden.
Was viele nicht wissen: Schon ein einfacher Handgriff – etwa das gezielte Klopfen zwischen die Schulterblätter – kann ein Leben retten. Aber nur, wenn man weiß, wie man ihn richtig ausführt.
Typische Notfälle im Kindesalter – und was Eltern tun sollten
Eltern sollten sich auf verschiedene Notfallszenarien vorbereiten. Hier einige der häufigsten Situationen:
Vergiftungen
Ob Medikamente, Putzmittel oder Pflanzen: Kinder stecken fast alles in den Mund. Laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) kommt es in Deutschland jährlich zu über 200.000 Vergiftungsunfällen, ein Großteil davon bei Kindern unter sechs Jahren.
Was tun?
- Sofort den regionalen Giftnotruf kontaktieren.
- Keine Milch oder Wasser verabreichen.
- Kein Erbrechen auslösen.
- Verpackung des verschluckten Mittels bereithalten.
Fieberkrämpfe
Sie treten häufig zwischen dem sechsten Lebensmonat und dem fünften Lebensjahr auf – meist bei plötzlichem Fieberanstieg. Das Kind verliert kurzzeitig das Bewusstsein, verkrampft, die Augen verdrehen sich. Für Eltern ein schockierender Anblick.
Was tun?
- Kind schützen, aber nicht festhalten.
- Zeit messen (Dauer des Krampfes).
- Notruf 112 wählen.
- Nach dem Krampf: Kind in die stabile Seitenlage bringen.
Stürze
Kinder stürzen täglich, meist harmlos. Doch ein Sturz auf den Kopf kann gefährlich sein. Symptome wie Erbrechen, Benommenheit oder Pupillenveränderungen sind Warnsignale.
Was tun?
- Kind beobachten.
- Bei Auffälligkeiten: sofort zum Arzt oder in die Notaufnahme.
- Kein Essen oder Trinken nach einem Kopfsturz.

Verbrennungen und Verbrühungen
Ein heißer Kaffee reicht aus, um großflächige Hautschäden zu verursachen. Laut der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin sind Kinder unter fünf Jahren am häufigsten betroffen.
Was tun?
- Kleidung vorsichtig entfernen, wenn sie nicht anhaftet.
- Betroffene Stelle 10–15 Minuten mit lauwarmem Wasser kühlen.
- Keine Salben oder Hausmittel auftragen.
- Notruf wählen bei großflächigen oder tiefen Verbrennungen.
Erste Hilfe beginnt im Alltag – mit der richtigen Vorbereitung
Ein Erste-Hilfe-Kurs ist der erste Schritt. Aber auch die tägliche Vorsorge zählt. Die Realität zeigt jedoch: Nur 20 Prozent der Eltern haben ein kindgerechtes Erste-Hilfe-Set zu Hause. Ganze 40 Prozent besitzen gar keins.
Ein gutes Set für Kinder sollte enthalten:
- Pflaster, sterile Kompressen, Desinfektionsmittel
- Kühlpads, Einmalhandschuhe, Fieberthermometer
- Beatmungsmaske für Kinder, Zeckenzange
- Notfallnummern griffbereit
Zudem solltest du potenzielle Gefahrenquellen absichern: Medikamente und Reinigungsmittel in verschlossenen Schränken aufbewahren, Kleinteile außer Reichweite, Treppen sichern.
Erste Hilfe kann man lernen – und auffrischen
Die gute Nachricht: Du musst kein Arzt sein, um im Ernstfall helfen zu können. Was du brauchst, ist Wissen – und Übung. Erste-Hilfe-Kenntnisse „rosten“ mit der Zeit ein. Experten empfehlen daher: Alle zwei Jahre einen Auffrischungskurs machen, idealerweise mit Fokus auf Kindernotfälle.
Flexibel und alltagstauglich: Onlinekurse für Eltern
Für gestresste Eltern mit wenig Zeit bietet der DRK-Elterncampus eine ideale Lösung: Onlinekurse, die jederzeit abrufbar sind und gezielt typische Familiensituationen behandeln. Von der Baby-Ernährung über Notfallmanagement bis zur Hausapotheke – hier gibt es praxisnahes Wissen, Schritt für Schritt erklärt.
Kursleiter David Mehnert erklärt: „Eltern sind oft unsicher – das beginnt bei kleineren Verletzungen und reicht bis zum Schockmoment in der Küche. Unsere Kurse geben ihnen das nötige Wissen und die Ruhe, in solchen Momenten handlungsfähig zu bleiben.“
Kinder können (und sollen) helfen
Ein wichtiger, oft vergessener Aspekt: Auch Kinder können Erste Hilfe lernen. Schon Vorschulkinder verstehen, was die 112 bedeutet, wie man die Adresse nennt oder wie man ruhig bleibt, bis Hilfe kommt.
Das kann spielerisch geübt werden – mit einem alten Telefon, einer Kinder-Notfallkarte oder einem Rollenspiel. Je früher Kinder das lernen, desto besser. Und: Es stärkt ihr Selbstbewusstsein.

Was Eltern sonst noch wissen sollten
- Notruf oder Bereitschaftsdienst? Nicht immer ist der Rettungswagen nötig. Der kinderärztliche Notdienst (116 117) hilft bei Unsicherheiten.
- Apps als digitale Helfer: Es gibt seriöse Apps zur Ersten Hilfe – z. B. die App „Erste Hilfe“ vom Malteser Hilfsdienst oder die DRK Erste Hilfe App.
- Notfallkarte erstellen: Adresse, Telefonnummern, Allergien, Medikamente – alles auf einen Blick, griffbereit in der Wickeltasche.
Fazit: Nicht perfekt sein – aber vorbereitet
Niemand erwartet, dass du im Notfall alles perfekt machst. Aber du solltest wissen, was zu tun ist, wo du Hilfe bekommst und wie du reagierst. Denn im entscheidenden Moment bist du die wichtigste Hilfe, die dein Kind hat. Daher haben wir auch noch mehr Tipps rund um Gesundheit.
Also, wie steht’s um deine Erste-Hilfe-Kenntnisse? Wann war dein letzter Kurs? Und hast du schon ein Notfallset parat?
Wenn nicht – dann ist heute ein guter Tag, um das zu ändern.
Weitere Infos, Links & Empfehlungen
- DRK-Elterncampus: www.drk-elterncampus.de/ratgeber
- Vergiftungs-Notrufnummern (bundesweit): www.giftnotruf.de
- Malteser App „Erste Hilfe“ (kostenlos für iOS & Android)
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: www.kindergesundheit-info.de
- Erste-Hilfe-Kurse in deiner Nähe: DRK, Johanniter, Malteser, ASB oder lokale Hebammenpraxen
Hinweis: Dieser Artikel ersetzt keine medizinische Beratung. Im Zweifel oder Notfall gilt: Immer den Notruf 112 wählen.