Endlich ist es wieder so weit: Ich muss meine Kinder anlügen. Das große Treffen der Weihnachtsmänner und Lebkuchen ist vorbei, jetzt reihen sich in den Supermärkten Eier und Hasen für Ostern aneinander. Natürlich möchten meine Kinder am liebsten beherzt zugreifen und alles kaufen – wer kann es ihnen verdenken. Deshalb habe ich mir recht früh ein Lügennetz aufgebaut. Alle Ostersüßigkeiten sind lediglich für den Osterhasen aufgebaut. Die Kinder können alles anschauen und dann ihre Wünsche äußern. Kaufen darf aber nur der Osterhase. Genauso wie alle Schokonikoläuse und Lebkuchen nur vom Christkind oder dem Nikolaus gekauft werden dürfen.
Bei meinem zweijährigen Sohn klappt das hervorragend. Er sorgt inzwischen sogar für den ein oder anderen Schmunzler, wenn er mir im Laden nochmal erklärt, dass die Sachen ja nur der Osterhase kaufen dürfe. Meine fast sechsjährige Tochter hingegen wird langsam misstrauisch. Sie hinterfragt jetzt schon genau und will wissen, ob der Osterhase dann tatsächlich mit seinem Geldbeutel in den Laden kommt zum Einkaufen. Und sie will wissen, wie er die ganzen Schokoosterhasen transportiert. Mein Lügenkartenhaus steht also auf dünnen Mauern, die meine Tochter bald zum Einsturz bringen wird. Aber das war es wert. Denn beinahe sechs Jahre habe ich die Kinderaugen zum Leuchten gebracht.

Neben der unangenehmen Aufgabe des Lügens drängt sich uns Eltern noch eine weitere auf: Was soll in die Osternester gepackt werden? Blicken wir mal zurück in unsere Kindheit. Ostern konnte damals niemals gegen Weihnachten anstänkern. Weihnachten war das große Fest der Geschenke – den religiösen Aspekt lasse ich mal außen vor. An Ostern gab es bemalte, hartgekochte Eier, einen Schokohasen, Schokoeier und natürlich das obligatorische Paar Socken. Das habe ich mir nie gewünscht, aber immer zuverlässig bekommen. Würde ich heute Socken in die Nester packen, würden mir meine Kinder den Vogel zeigen und ein „will ich nicht“ bekäme ich auch noch obendrauf.
Da es nicht nur mir so gehen wird, frage ich also mal die anderen Väter im Kindergarten. Was packt ihr so in die Osternester? Und dann falle ich aus allen Wolken: Finn bekommt ein neues Fahrrad und Lars wird mit einem neuen Trampolin beglückt. Mathilda darf bald auf ihrem neuen lebensgroßen Einhorn reiten und Emma fährt künftig in einem Miniatur-Mini rum.

Selbst wenn ich unendlich viel Geld hätte und meinen Kindern jeden Wunsch erfüllen könnte – wo soll das denn noch hinführen? Was gibt es dann zum Geburtstag oder zu Weihnachten? Auf die anderen Väter kann ich nicht zählen, deshalb frage ich meine Kinder direkt nach ihren Wünschen vom Osterhasen. Mein Sohn gibt mir immer dieselbe Antwort: ein Müllauto. Er hat zu Weihnachten bereits ein Müllauto bekommen. Aber er möchte ein Müllauto in jeder erdenklichen Größe. Gut, das ist im Rahmen. Den Wunsch kann der Osterhase erfüllen.
Meine Tochter hingegen hat keine Ahnung, was sie sich wünschen soll. Wie haben wir damals auf diese Feiertage hingefiebert, um endlich unsere lang ersehnten Wünsche erfüllt zu bekommen. Das ist heute nicht mehr so. Denn die Kids bekommen zu jedem Anlass unzählige Geschenke. Und selbst wenn man das eindämmt, kommen Oma, Opa, Tanten, Onkel, Eltern von Freunden auf die glorreiche Idee, „nur eine Kleinigkeit“ zu Ostern zu bescheren.

Deshalb gehe ich einen Schritt zurück. Weniger ist mehr. Dieses Jahr an Ostern bekommen die Kinder bunt bemalte hartgekochte Ostereier, einen Schokohasen, ein paar Schokoeier und jeweils eine Kleinigkeit, also keine Socken – aber das Müllauto in klein zum Beispiel. Oder ein Buch. Oder ein Malen nach Zahlen Set. Oder ein Puzzle. Nur so habe ich die Hoffnung, dass diese Vorfreude auf solche Feiertage wieder zunimmt und man in Zukunft nicht mehr in ratlose Augen schaut, die keine Ahnung haben, was sie sich wünschen sollen.
Bald also habe ich Ostern überstanden und dann dauert es immerhin vier bis fünf Monate, bis ich wieder ins Straucheln komme, weil die Nikoläuse um die Pole Position in den Regalen rangeln.